3000 Beschäftigte der Firma Eisenmann bangen um ihren Job, allerdings ist ein einjähriger Kündigungsschutz im Gespräch. Foto: factum/Simon Granville

Das Insolvenzverfahren von Eisenmann zieht sich, die Industrie im Kreis schwächelt. Aber die Krise ist noch nicht eingetreten: Mehr als die Hälfte der Unternehmen melden trotz aller Unsicherheiten noch eine gute Geschäftslage.

Böblingen - Noch vor zwei Jahren lehnte Familie Eisenmann ein Übernahmeangebot aus China ab. Nun scheint doch ein Investor aus dem Reich der Mitte zum Zug zu kommen: Die deutsche Tochter des staatlichen Maschinenbaukonzerns Sinomach soll ein Angebot für den Insolventen Böblinger Anlagenbauer abgegeben haben. Aber ein Verkaufsabschluss ist noch nicht verkündet worden. Im Kreis Böblingen ist Eisenmann bislang ein Einzelfall. Die Bezirkskammer der Industrie- und Handelskammer hat in ihrer jüngsten Umfrage zwar einen deutlichen Auftragsrückgang in der Industrie gemeldet bekommen. Aber in anderen Branchen ist die Lage nach wie vor gut.

Einjähriger Kündigungsschutz?

Seit 1. Oktober steht der Anlagenbauer Eisenmann zum Verkauf. Eine Erfolgsmeldung konnte der Nürnberger Insolvenzverwalter Joachim Exner noch nicht verkünden – dafür die „Automobilwoche“: Der staatliche Maschinenbaukonzern China National Machinery  Industry  Corporation, kurz Sinomach, soll laut der Fachzeitschrift ein Angebot abgegeben haben. Für die rund 3000 Beschäftigten – rund die Hälfte davon arbeiten am Firmensitz in Böblingen und in Holzgerlingen – soll ein einjähriger Kündigungsschutz im Gespräch sein. Nur noch Details seien bis zum Verkauf zu klären, hieß es Anfang Dezember. Der Insolvenzverwalter äußert sich zu den Gerüchten nicht. Laut den Meldungen sollte der Deal bis Jahresende unter Dach und Fach sein. „Die Akquisition und Abwicklung diverser Großprojekte hatten 2018 für einen hohen Jahresverlust gesorgt“, lautete die Erklärung von Eisenmann für die finanzielle Schieflage des früheren Familienunternehmens.

Der frühere Chef lebt auf Mallorca

Es klang vielversprechend: Eisenmann entwickelte zuletzt Lackieranlagen für ein ungarisches Werk von Daimler, für Tesla, Lamborghini und das vietnamesische Start-up Vin Fast. Aber die Firma befand sich schon länger in finanziellen Schwierigkeiten und prüfte vor zwei Jahren ein Übernahmeangebot, lehnte jedoch nach einer längeren Verhandlung ab. „Wir wollten nicht chinesisch werden“, erklärte Peter Eisenmann dazu im Sommer der „Mallorca-Zeitung“. Der frühere Unternehmenschef betreibt auf der spanischen Insel ein Weingut, eine Landwirtschaft und eine Pferdezucht. Weitere Interviews möchte er nicht geben, teilt seine Sprecherin mit. „Die Insolvenz macht ihn sehr betroffen“, sagt sie, der 78-Jährige leide gesundheitlich darunter. Aber er sei seit Jahren nicht mehr in der Funktion des Geschäftsführers tätig. Bis Juni leitete sein Schwiegersohn Matthias von Krauland das Unternehmen. Es gehört über eine Aktiengesellschaftskonstruktion den vier Kindern von Sabine Eisenmann, der Frau von Peter Eisenmann.

Kurzarbeit bei anderem Zulieferer

Abgesehen von den Stellenstreichungsplänen bei Bosch und Daimler hat es für die Wirtschaft im Kreis Böblingen seither keine Hiobsbotschaft mehr gegeben. Der Kunststoffverarbeiter Ensinger mit Sitz in Nufringen meldete, dass am 1. Dezember am Standort Rottenburg-Ergenzingen im Spritzgusswerk Kurzarbeit eingeführt wurde. Andere Standorte und Sparten seien davon nicht betroffen – und Spritzguss nur ein kleiner Geschäftsbereich, betonte der Familienbetrieb, bei dem 2500 Menschen beschäftigt sind. Die sinkende Nachfrage aus der Automobilproduktion, der wichtigsten Abnehmerbranche für Spritzgussteile aus Hochleistungskunststoffen, habe in diesem Jahr einen deutlichen Rückgang des Auftragsbestandes nach sich gezogen, teilte Ensinger mit. Daimler meldete derweil für November einen Absatzrekord: Fast 210 000 Modelle von Mercedes-Benz sind verkauft worden, seit Januar sind es mehr als zwei Millionen gewesen – und somit ein Absatzplus von 1,4 Prozent.

51 Prozent mit guter Geschäftslage

„Zunehmend besorgt“ blickten die Unternehmen aus dem Kreis Böblingen auf das Konjunkturklima, meldet die Bezirkskammer der IHK. Der Brexit und der Handelskonflikt zwischen den USA und China drückten auf die Stimmung. „Vor allem die Industrie leidet unter der weltweiten Konjunkturflaute und einem rückläufigen Geschäft“, erklärt Tilo Ambacher, der stellvertretende Geschäftsführer der Bezirkskammer. Dennoch dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass immer noch 51 Prozent aller Unternehmen im Landkreis eine gute Geschäftslage melden“, ergänzt er. Aber während zum Jahresbeginn noch drei Viertel der befragten Betriebe im verarbeitenden Gewerbe eine gute Geschäftslage angaben, ging diese Zahl auf ein Drittel zurück. Damit sei die Auftragslage auf einem Tiefstand, meldet Tilo Ambacher. „Bei einem anhaltenden Abwärtstrend in der Industrie würde der Handel sicherlich schnell in den Abwärtsstrom geraten“, schreibt er weiter.

Baubranche weiter auf Höhenflug

Andere Branchen sind dagegen nicht so pessimistisch wie die Industrie. „Die Baubranche befindet sich weiterhin auf einem Höhenflug“, heißt es in dem Konjunkturbericht. Sie profitiere weiterhin von guten Finanzierungsbedingungen und einer hohen Nachfrage. Auch die Dienstleistungsbranche sende positive Signale. Nur drei Prozent der Betriebe sind mit der Geschäftslage unzufrieden. Und trotz nachlassender Konjunktur in anderen Branchen hat sich die Geschäftserwartung sogar verbessert. „Ob diese antizyklische Entwicklung bei einem möglichen Abschwung Bestand haben kann, bleibt abzuwarten“, findet Volkswirt Ambacher. Bertrandt hat jedenfalls keine Bedenken – und kürzlich angekündigt, 800 neue Mitarbeiter einstellen zu wollen. Der Ehninger Ingenieurdienstleister beschäftigt fast 14 000 Mitarbeiter und macht mehr als eine Milliarde Euro Umsatz. Vor allem im Ausland legte das Unternehmen zu – in den USA, Europa und China.