Der Einigung über die Erbschaftsteuer gingen langwierige Verhandlungen voraus Foto: dpa

Nach einem Marathon hat sich der Vermittlungsausschuss auf eine neue Erbschaftsteuer geeinigt. Jubel durften die Verhandlungsführer nicht erwarten – alle Seiten hadern mit dem Ergebnis.

Stuttgart - Ist das Glas nun halb voll oder halb leer? Geht es nach den Vertretern der mittelständischen Wirtschaft im Land, findet sich in dem Kompromiss zur Erbschaftsteuer, den der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zu nächtlicher Stunde ausgehandelt hat, nicht viel von den Vorstellungen der Wirtschaft. Das allerdings war auch kaum zu erwarten, denn die Richtung war von vornherein vorgegeben: Zu dem Gesetzgebungsverfahren kam es überhaupt nur deshalb, weil das Bundesverfassungsgericht Ende 2014 ein geradezu vernichtendes Urteil über die Erbschaftsteuer für Betriebsvermögen fällte und dem Gesetzgeber auftrug, innerhalb von eineinhalb Jahren eine verfassungskonforme Regelung zu beschließen. Zu gut gehe das Gesetz mit dem Erben vor allem großer Vermögen um: Es unterscheide nicht danach, ob der Erbe in der Lage sei, die Erbschaftsteuer auch aus seinem Privatvermögen zu bezahlen.

In diesem Fall, so die Logik der Richter, sei eine Begünstigung nicht zu rechtfertigen, die ja damit begründet wird, dass Firmenerben nicht gezwungen werden sollen, zur Finanzierung der Erbschaftsteuer die Firma zu zerschlagen oder gar zu verkaufen. Auch stießen sich die Richter daran, dass Firmen mit bis zu 20 Mitarbeitern begünstigt werden, ohne dass dies wie bei den anderen Firmen an die Bedingung geknüpft ist, in den Folgejahren bestimmte Lohnsummen nicht zu unterschreiten.

Auch für kleine Firmen gibt es strengere Regeln

Künftig werden einige Regeln deutlich verschärft: Um den Vorgaben der obersten Richter Genüge zu tun, werden die Erben sehr großer Vermögen stärker belastet: Ab einer Schwelle von 26 Millionen Euro ererbten Firmenvermögens müssen sie künftig erst einmal die Hälfte ihres Privatvermögens einsetzen, um die Erbschaftsteuer zu bezahlen. Wollen sie ihr Vermögen nicht offenlegen, greift ein anderes Modell, das vorsieht, dass die Entlastung mit wachsendem Firmenvermögen immer geringer ausfällt.

Auch für kleine Firmen gibt es strengere Regeln: Weil das Verfassungsgericht die Pauschal-Privilegierung der Firmen bis 20 Mitarbeiter für einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz hält, musste die Politik die Grenze senken. Sie liegt jetzt bei nur noch fünf Mitarbeitern. Weil das Gros der Firmen in Deutschland sehr klein ist, hat jeder zusätzliche Beschäftigte, der die Grenze markiert, eine erhebliche Bedeutung.

Der Teufel freilich steckt im Detail. Geradezu entsetzt war die Wirtschaft darüber, auf welche Weise der Wert der Firmen errechnet werden sollte. Das sogenannte vereinfachte Ertragswertverfahren ist zwar durchaus gebräuchlich, um mit überschaubarem Aufwand eine Art Richtwert für den Wert eines Unternehmens zu ermitteln – doch in der aktuellen Lage führte dies dazu, dass die Bewertungen und damit auch die Basis für die Berechnung der Erbschaftsteuer in die Höhe schießen würde. Dies ist eine der vielen Folgen der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Denn der sogenannte Basiszins ist durch die allgemeine Entwicklung auf ein historisch niedriges Niveau gefallen; und je niedriger die Zinsen, desto wertvoller sind rechnerisch das Unternehmen und seine künftigen Gewinne, selbst wenn diese sich gar nicht verändern.

Gratis gibt es diese Erleichterung für die Firmen nicht

Würden einfach nur die Daten für 2016 angesetzt, müsste ein Unternehmen mit 18 Jahresgewinnen bewertet werden. Die Unternehmen sind nun sehr erleichtert, dass die Bewertung auf das 13,75-Fache festgelegt wird. Damit wird ungefähr das ebenfalls schon niedrige Zinsniveau von 2011 bis auf weiteres festgeschrieben.

Doch gratis gibt es diese Erleichterung für die Firmen nicht. Diejenigen, die ohnehin gegen die Bevorzugung von Firmenvermögen sind, setzten zum Beispiel durch, dass Erben, die ihre Steuerschuld abstottern, dies künftig nicht mehr zinsfrei tun können, sondern ab dem zweiten Jahr satte sechs Prozent Zinsen zahlen müssen. Zudem werden die Regeln für Verwaltungsvermögen, das nicht betriebsnotwendig ist, verschärft. Praktiker halten die Abgrenzung aber für extrem schwierig, da es zum Beispiel keinen objektiven Maßstab dafür gibt, wie viel Bargeld oder Kontoguthaben ein Unternehmen braucht – und wie viel davon eher der Privatsphäre des Unternehmers zuzurechnen ist. Klar ist immerhin, dass Oldtimer, Jachten und Kunstwerke auf keinen Fall begünstigt weitervererbt werden können.

Das Beste an den neuen Regeln ist aus Sicht der Firmen im Südwesten, dass es sie gibt. „Unsere Familienunternehmen im Land können nun die nötige Rechtssicherheit erwarten“, sagt Peter Kulitz, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK), und lobt vor allem die Senkung des sogenannten Kapitalisierungsfaktors auf 13,75.

Allerdings entstünden bei der Übergabe weiter „hohe Kosten. Daher muss die steuerliche Entlastung unseres Mittelstandes weiter auf der politischen Tagesordnung stehen“. Hans-Eberhard Koch, Chef des Industrieverbands LVI, bemängelt die verschärfte Stundungsregelung und den Umstand, dass das Recht nun komplizierter und damit beratungsintensiver geworden sei. Kritik kommt auch von den Gewerkschaften, allerdings aus einem ganz anderen Grund: „Mit diesem Kompromiss werden weiterhin unverhältnismäßige Steuerprivilegien gewährt“, erklärt DGB-Landeschef Nikolaus Landgraf. Der Trend, dass sich Vermögende immer weiter aus der Finanzierung des Gemeinwesens zurückziehen, bleibe ungebrochen. Er hätte sich „von der Landesregierung eine klare Positionierung im Sinne einer gerechten Steuerpolitik gewünscht“.