Das Lager von Amazon in Pforzheim ist im Weihnachtsgeschäft komplett ausgelastet. Foto: dpa

Die Streiks bei Amazon sind zum festen Ritual im Weihnachtsgeschäft geworden. Sie sind nur auf den ersten Blick wirkungslos, findet Wirtschaftsredakteur Thomas Thieme.

Pforzheim - Verdi lässt keine Zweifel an der Bereitschaft zum Arbeitskampf aufkommen. Amazon kann sich im sechsten Weihnachtsgeschäft in Folge auf Streiks einstellen. Der Onlineriese tut das mit aufreizender Lässigkeit und Routine: Man sei auf viele Szenarien eingestellt, heißt es, dann werden Arbeitsniederlegungen in eine Reihe mit witterungsbedingten Unwägbarkeiten wie Eis und Schnee genannt.

Diese Einstellung ist in der gesamten, stark US-amerikanisch geprägten Führungsebene des Konzerns verbreitet – und sie ist ein Ausdruck von Geringschätzung. Der Arbeitgeber verweigert sich seit Jahren jeglichen Gesprächen mit der Gewerkschaft. Die Haltung resultiert aus einer tiefen Abneigung gegen bewährte hiesige Gepflogenheiten wie funktionierende Sozialpartnerschaften und verbindliche Tarifverträge. Das kann Amazon machen, weil seine Marktmacht gewaltig ist, weil die Mehrzahl seiner Kunden (noch) keine Gewissenskonflikte beim Online-Einkauf verspürt, weil der Konzern (noch) genügend Personal findet und weil der Organisationsgrad der Mitarbeiter an den Standorten sehr unterschiedlich ist. Welche Konsequenzen es haben kann, wenn sich einer oder mehrere Faktoren verändern, erfährt gerade Ryanair-Chef Michael O’Leary auf schmerzhafte Weise.

Doch Amazon ist schon einen Schritt weiter als die irische Billigfluglinie: Es gibt Betriebsräte und die haben in den vergangenen Jahren wichtige Verbesserungen für die Mitarbeiter durchgesetzt. Angesichts dieser Realitäten muss sich der Arbeitgeber fragen, ob der Imageschaden durch die Tarifverweigerung nicht längst ihren Nutzen übersteigt. Ein Einlenken könnte die beste Werbung in eigener Sache sein. Wie klingt das: ein streikfreies Weihnachtsfest 2019?