Bernd Kreis – Ende Juni – in seinem Weinberg am Scharrenberg. Er baut dort unter anderem die Sorte Cabernet Franc an. Foto: Caroline Holowiecki

Es wird wärmer. Winzer müssen sich auf Wetterextreme und frühe Lesen einstellen, sie können dafür aber auch neue Sorten anbauen. Ein Besuch am idyllischen Scharrenberg in Stuttgart-Degerloch.

Degerloch - Bernd Kreis hat seinen Frühsport bereits hinter sich. Schon am Morgen glitzern bei ihm Schweißperlen auf der Stirn. Der Weinberg, in dem er eine windschiefe Treppe hoch- und runterkraxelt, steht in der prallen Sonne. Auf einem Viertelhektar baut er in den Steillagen am Degerlocher Scharrenberg Trauben an. Bernd Kreis ist Weinhändler, außerdem ein preisgekrönter Sommelier. 2019 kürte ihn das Wein- und Gourmetmagazin Falstaff zum Sommelier des Jahres, in den 1990ern schafft es der Stuttgarter sogar bei einem internationalen Wettbewerb zum besten Sommelier Europas. Seit 1994 produziert er auch selbst. „Ich will wissen, wovon ich rede“, sagt er.

Sommelier und Winzer

Beim Treffen ist es Ende Juni. Der 57-Jährige muss die Laubarbeiten voranbringen. Während er spricht, bricht er Blätter von seinen Reben der Sorte Cabernet Franc ab– unter anderem, damit Pilzkrankheiten weniger Chancen haben. Den Namen des Rotweins, der etwa an der Loire heimisch ist, hört man hierzulande selten. „Ich war sicher einer der Ersten, die den hier angebaut haben“, sagt Bernd Kreis. Er habe eine Alternative zum Trollinger anbieten wollen, „er passt zu Klima und Boden“. Und das Klima verändert sich. Weltweit – und auch am Schimmelhüttenweg. Es wird immer wärmer. So unheilvoll die Folgen des Klimawandels auch sein dürften, für den Cabernet Franc, an dem Bernd Kreis an diesem Morgen herumzupft, hat er auch Positives. „Der wäre früher hier nicht reif geworden.“

Winzer hierzulande merken den Klimawandel sehr deutlich, sagt auch Hermann Morast, der Geschäftsführer des Weinbauverbands Württemberg, und zwar unter anderem daran, dass sie andere Sorten in den Blick nehmen können. „Wenn Sie früher einem alten Wengerter gesagt hätten, dass Sie hier schwere Rotweine anbauen wollen, hätte er gelacht“, heute jedoch seien Rebsorten wie Merlot oder Syrah, die man noch vor 20, 30 Jahren nur in südlichen Gefilden verortet hätte, in den hiesigen Steil- und Terrassenlagen durchaus drin. „Die gedeihen jetzt wunderbar auch bei uns“, sagt der promovierte Önologe. Ebenso gebe es hierzulande Weißweine wie Chardonnay oder Sauvignon Blanc, die man ehemals in Württemberg eher nicht angebaut hätte – der Klimawandel sei förderlich, und auch der Verbraucher verlange danach. Je nach Lage und Sorte bringen wärmere Tage höhere Mostgewichte und konstante, hervorragende Qualitäten. Das Deutsche Weininstitut sieht die Winzer gar als Profiteure des Klimawandels. „Die Gefahr, dass die spätreifen Rebsorten nicht die optimale Reife erlangen, besteht schon lange nicht mehr.“

Neue Schädlinge machen sich breit

Aber die Produzenten müssen sich umstellen. „Die Landwirtschaft hat sich schon immer an die Natur anpassen müssen“, stellt Hermann Morast klar. Neue Schädlinge machen sich breit. Züchtungen zielen auf resistentere Sorten ab, die Pilzen oder Fäulnis trotzen. „Wir brauchen robustere Sorten, die mit der Umgebung klarkommen“, sagt er. Hinzu kommt, dass im Weinberg die Arbeit zeitiger im Jahr losgeht. Die Rebblüte beginnt früher, ebenso die Lese.

Das merkt Bernd Kreis an seinem Degerlocher Cabernet Franc. Durch den warmen April steht Ende Juni der sogenannte Traubenschluss, bei dem die einzelnen Beeren eng aneinanderliegen, bereits kurz bevor. „Es ging einfach früher los“, sagt er. Dieser verschobene Rhythmus birgt auch Gefahren, sagt Hermann Morast. Die Eisheiligen, die späten Frühjahrsfröste, könnten den zarten Trieben schaden.

Klimaexperten rechnen für die Zukunft mit mehr Wetterextremen – Hitzeperioden, Starkregen, Hagel. Bernd Kreis ist 2019 davon verschont geblieben. Grundsätzlich vertritt er die Meinung, dass Reben auch mit Hitze zurechtkommen müssen und können. In diesem Frühjahr aber hatte er ein Novum. Weil es so trocken und warm war, hat er erstmals neu gesetzte Jungpflanzen bewässert, um den Stress von ihnen zu nehmen. „Im schlimmsten Fall sterben sie ab.“