Das Weindorf – hier ein Bild von 2019 – in diesem Jahr wieder ohne Einschränkungen. Foto: /Leif Piechowski

Die Winzer setzen mit einem breiten Angebot große Erwartungen ins Weindorf, um das deutliche Defizit der Corona-Zwangspause auszugleichen. Drei von ihnen erzählen, wie sie die finanziellen Einbußen verkraftet haben – und was sie neu machen.

Die Lauben sind einladend herausgeputzt, der Wein ist angeliefert, das Personal steht bereit, die Erwartung ist groß und die Vorfreude riesig: Endlich findet das Stuttgarter Weindorf wieder in vollem Umfang statt und entschädigt für die zweijährige Zwangspause mit einer deutlichen Verlängerung auf 19 Tage. Drei Winzer aus der Region erzählen, wie sie die finanziellen Einbußen verkraftet haben.

Der erste Lockdown hat tief getroffen

Das Dreimäderlhaus vom Weingut Currle in Uhlbach zählt zu den Pionieren in der 45-jährigen Geschichte des Weindorfs. Fritz und Heiderose Currle haben das Weingut im Jahr 2007 Tochter Christel übergeben. Für die Weindorflaube an der Kirchstraße ist ihre Schwester Annette, Inhaberin von Currles Culinarium, zuständig. Natürlich in bewährter familiärer Zusammenarbeit. „Der erste Lockdown hat uns richtig hart getroffen“, blickt Christel Currle auf die Coronajahre zurück. Da waren Ideen gefragt, um über die Runden zu kommen: Probierpakete und gut bestückte Picknicktaschen, mit denen der Spaziergang in den Weinbergen nicht so trocken bleiben musste. Und zum Glück hätte auch der Gutsausschank, der ehemalige Besen, auf den der Name Dreimäderlhaus zurückgeht, wenigstens im Außenbereich geöffnet werden können. „Dadurch konnte der Verlust, der durch den Ausfall des Weindorfs entstanden ist, etwas abgefedert und minimiert werden“, sagt Christel Currle. Das Loch, das fehlende gastronomische Veranstaltungen gerissen haben, klaffte jedoch schmerzhaft. Genau dieses Angebot will Christel Currle daher nun mit Wein- und Sektproben und auch Weinbergspaziergängen deutlich erweitern.

Glaube an den Riesling

„In Riesling we trust“, so führt der Winzer Adrian Beurer sein Bekenntnis auf dem T-Shirt gedruckt spazieren. Auf den Riesling kann der Junior vom Weingut Beurer in Kernen-Stetten tatsächlich bauen, denn der spielt mit einem Anteil von 65 Prozent der Reben die wichtigste Rolle im Betrieb. Und den 2020er Riesling Schilfsandstein, 0,1 Liter für 5,30 und die Flasche für 33,50 Euro, schenkt er neben einem Rosé und einem Rotwein auch auf dem Weindorf aus. Denn der 23-Jährige gehört zu den 16 Jungwinzern, die seit ihrem ersten Auftritt vor vier Jahren auf dem Weindorf in einer gemeinsamen Laube mit Vielfalt und hoher Qualität auf begeisterte Resonanz, sprich trinkfreudige Kenner, stießen.

Er könne kaum erwarten, dass es wieder losgeht, denn solche Feste brächten auch immer interessante Begegnungen und fachlichen Austausch, strahlt Adrian Beurer im heimischen Garten mit Blick auf die Weinberge und die darüber thronende Y-Burg.

Zuwächse beim Export in die USA

Wie bitter war die Pandemiepause für den Betrieb mit einer Anbaufläche von 14 Hektar und einer Jahresproduktion von etwa 100 000 Flaschen? Im Handel und beim Export in die USA hätten sie sogar Zuwächse verzeichnen können, gibt Adrian Beurer Auskunft. Klar, die Leute haben zu Hause gekocht, gegessen und getrunken. Der Export profitierte von der Aufhebung der von Trump verhängten Zölle. Dass auch die Gastronomie als Kunde nicht gänzlich ausfallen musste, zeigt ein Beispiel: Zu den Kochboxen, mit denen der Waiblinger Spitzenkoch Bernd Bachofer seine Kunden versorgte, steuerte das Weingut Beurer eigens kreierte 0,37-Liter-Flaschen bei.

„Mal sehen, ob die Weindorf-Besucher bereit sind, für die hohe Qualität der Weine auch mehr Geld auszugeben“, sagt der Jungwinzer, dessen Vater das Weingut im Jahr 1997 gegründet hat und seit 18 Jahren biodynamisch bearbeitet. Denn die Verbraucher würden aus bekannten Gründen sparen, und die Preise seien gestiegen. Das Angebot der Jungwinzer klingt dennoch verlockend: „Wer regelmäßig zu unserer Laube kommt, kann 36 Weine verkosten.“

50 Prozent Umsatzeinbuße

Das Defizit, das Corona seinem Betrieb eingebrockt hat, kann Timo Saier ganz genau beziffern: „50 Prozent“, sagt der Chef des Weinguts der Stadt Stuttgart, das eine Rebfläche von 1,6 Hektar, meist auf Steillagen, bewirtschaftet. „Weil viele Veranstaltungen und Weinproben ausgefallen sind“, begründet Saier in der Vinothek (Breite Straße 4) das heftige Defizit. Im Jahr 2016 hat der Diplom-Önologe die Leitung übernommen und schon im nächsten Jahr erste Präsenz auf dem Weindorf gezeigt. Denn bis dahin spielte das Städtische Weingut auf dem Weindorf keine Rolle. „Das Weindorf ist für uns ein Extra, das in den Arbeitsablauf hineingepresst wird“, erklärt Saier. Doch zu der neuen Ära, die mit dem heute 43-Jährigen begann, gehört auch die Laube an der Kirchstraße. „Wir wollen uns und die Entwicklung und Veränderungen in unserer Produktion zeigen.“

Nachfrage nach Bioweinen steigt

Dazu gehört die Umstellung auf biologische Bewirtschaftung und das Anpassen der Sorten, wobei Müller-Thurgau, Traminer und Kerner wegfallen und durch Cabernet blanc, Sauvignac und Sauvitage ersetzt werden: „Wir wollen dem Weingut eine neue Identität mit eleganten, kräftigen und natürlich trocken ausgebauten Weinen auf internationalem Niveau geben.“ Schon sein Vorgänger Bernhard Nanz habe mit Syrah und Merlot den Anfang gemacht. Der Trollinger, der früher ein Drittel der Erntemenge ausgemacht habe, werde deutlich reduziert.

Keine Bange, auf dem Weindorf schenkt Saier neben den eleganten Weinen auch einen Trollinger-Lemberger aus: als schnelles Viertele für 5 Euro, genau wie einen Rosé und einen Riesling halbtrocken. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.