Unsterbliche Blutsbrüder: Pierre Brice als Winnetou (links) und Lex Barker als Old Shatterhand Foto: dpa

RTL ist bei seiner Suche nach einem Winnetou-Darsteller fündig geworden. Nik Xhelilaj heißt er, ist 32 Jahre alt und hat noch nie Karl-May-Bücher gelesen.

Stuttgart - Der einzig wahre Winnetou starb in den Armen seines Blutsbruders Old Shatterhand. Sein Rappe Iltschi (Wind), der Bruder von Old Shatterhands Hatatitla, nahm wiehernd Abschied von seinem Herrn. Das war 1965.

Das Publikum nach Winnetous Abenteuern

Da die Karl-May-Filmwelle im deutschen Kino gerade ihren Höhepunkt erreicht hatte und das Publikum nach neuen Abenteuern des unsterblichen Westernhelden-Duos lechzte, musste Winnetou für vier weitere Filme wiederauferstehen. Drei Jahre später war dann endgültig Schluss. So hätte es sein sollen, so war es dem großen Apachen-Häuptling vorherbestimmt! Die Filmproduzenten Horst Wendlandt und Artur Brauner, Regisseur Harald Reinl und Komponist Martin Böttcher hatten von 1962 bis 1968 elf unvergessene Streifen geschaffen, die so „Sixties“ waren, wie deutsche Filme eben nur sein können.

Im März hatte der TV-Sender RTL mitgeteilt, man plane eine Neuauflage der Indianer-Filme und wolle Brice gerne für die Rolle als Winnetous (Wotan Wilke Möhring) Vater Inschu Tschuna gewinnen. Brice selbst zeigte sich von dem Vorhaben wenig angetan: „Ich bin ehrlich gesagt nicht begeistert von der Idee.“ Er sei zu alt für den Job, man möge sich nach einem Jüngeren umsehen, sagte er damals. Wenige Monate später, am 6. Juni, starb der französische Mime im Alter von 86 Jahren.

Alte Bekannte, neue Gesichter

Nun ist RTL auf der Suche nach einem Brice-Nachfolger fündig geworden: Kreshnik (Nik) Xhelilaj, 32 Jahre alt aus Albanien, soll in die Mokassins des Franzosen schlüpfen (die ihm einige Nummern zu groß sein dürften). Über den kleinen Balkanstaat hinaus ist der Film- und Theaterschauspieler nur Insidern bekannt. Wie das Original soll die „Winnetou“-Neuauflage in Kroatien gedreht werden, die 2016 als Dreiteiler bei RTL laufen soll.

Die Dreharbeiten unter der Regie von Philipp Stölzl („Der Medicus“, „Goethe!“) haben Mitte August begonnen, wie RTL am Sonntag mitteilte. Neben Möhring werden Milan Peschel als Sam Hawkens zu sehen sein, die Mexikanerin Iazua Larios als Nscho’ Tschi. Jürgen Vogel spiele den Bösewicht Rattler. Zudem gebe es ein Wiedersehen mit Mario Adorf, der sich als Santer Senior um seinen Sohn Santer Junior (Michael Maertens) sorge.

„Wir haben mehr oder minder die ganze Welt abgesucht, weil wir wussten, dass die Mokassins von Pierre Brice sehr groß sind“, zitierte die „Bild am Sonntag“ Regisseur Stölzl zur Besetzung der Rolle des Winnetou. Dann sei Xhelilaj zum Casting gekommen. „Und ich weiß noch, dass man auf den Monitor geguckt und gedacht hat: „Aha, wir sind angekommen, am Ende dieser langen Reise.“

Winnetou war Pierre Brice’ Leben

Ob man sich da mal nicht übernommen hat. Pierre Brice hat den Apachen nicht nur gespielt, Winnetou war sein Leben. In seinen Adern floß – symbolisch gesehen – das Blut der berühmtesten Rothaut aller Zeiten. Er verkörperte ihn fast sein ganzes Schauspieler-Leben so unnachahmlich und überzeugend, dass er am Ende Rolle und Leben, Fiktion und Wirklichkeit wohl selbst nicht mehr zu unterscheiden wusste.

Dabei hätte man es belassen sollen! Als sich Pierre Brice für den ZDF-Zweiteiler „Winnetous Rückkehr“ in den 1980er Jahren noch mal auf den Rappen hievte und bei den Karl-May-Festspielen in Elspe und in Bad Segeberg über die Bühne ritt, war das nur ein müder Abklatsch des Originals.

Die Film-Adaptionen von Karl Mays frei erfundenen Stoffen waren zwar nie ganz großes Kino. Auch hatte der edelmütige Wilde im beige-blauen Fransenkostüm mit echten Indianern so viel zu tun wie „Raumschiff Orion“ mit der interplanetarischen Zukunft. Und doch hat sich aus den ulkigen Platzpatronen-Baller-Filmen ein Hit, ja Kino-Kult entwickelt, der bis heute vor allem beim älteren Publikum unvergessen ist.

So etwas lässt sich nicht beliebig wiederholen – weder mit alten noch neuen Gesichtern. Der RTL-Neuaufguss ist so unnötig wie ein Kropf. Warum lässt man Winnetou nicht in Frieden ruhen? Er hat doch genug getan für den Frieden zwischen den roten und weißen Völkern.

Winnetou? Nie gehört!

Eines zumindest haben Xhelilaj und Brice gemeinsam: „Natürlich habe ich mich im Rahmen der Vorbereitung für diese Rolle mit Winnetou, Old Shatterhand und deren Geschichte in Deutschland befasst. Dennoch kann ich nur erahnen, welche Bedeutung eine Neuverfilmung und diese Rolle hier tatsächlich hat.“Auch Pierre Brice hatte bis zu seinem ersten Dreh nie Karl May gelesen.