Immer mal wieder sind Wildtiere in der Stadt unterwegs. Foto: Symbolbild dpa/Wolfgang Kumm

In Wald und Flur rund um die Filderebene fühlt sich das Wild wohl. Das freut auch Naturfreunde, solange die Tiere auf Abstand bleiben. Immer wieder kommen Dachs, Wildschwein und Co. dem Menschen allerdings sehr nah.

Filder - Wer am Waldrand oder nahe von ausgedehnten Feldern wohnt, muss nur vor die Haustür treten, um der Natur nahe zu sein. Oft geht dieser Schritt mit der Chance einher, Wildtieren zu begegnen, ein Reh oder einen Hasen zu sichten. Das klingt zunächst romantisch. Vielfach legt sich die Begeisterung allerdings, wenn die tierischen Nachbarn im eigenen Garten aufkreuzen. In Sonnenberg ist zurzeit ein Fuchs unterwegs, der sich von Gartenzäunen nicht beeindrucken lässt – und sogar Schuhe klaut. Vermutlich bringt er sie seinen Jungen zum Spielen mit.

„Füchse, Rehe, Marder, Dachse, Hasen, Waschbären – all diese Tiere sind nicht nur in der Wildnis unterwegs, sondern können sich auch in Siedlungen verirren“, erklärt Klaus Lachenmaier, Referent für Natur- und Artenschutz beim Landesjagdverband Baden-Württemberg. „In freier Wildbahn sind sie meist unproblematisch, in den Gärten kann aber schon ein einzelner Hase einigen Schaden anrichten, wenn er das Gemüsebeet heimsucht.“

Die Zahl der Rehe nimmt seit Jahren zu

Lachenmaier rät, selbst für ausreichenden Schutz der eigenen Grundstücke zu sorgen. Was man aktuell den Schäfern rate, die sich mit Wölfen auseinanderzusetzen hätten, gelte auch für Haus und Garten. Um Canis Lupus muss man sich am Stadtrand von Stuttgart in absehbarer Zeit übrigens keine Sorgen machen, da ist sich der Experte sicher: „Es gab schon eine Wolfssichtung am nördlichen Rand von Stuttgart. Hierbei handelte es sich aber um ein durchwanderndes Tier. Ein Wolf wird sich nirgends dauerhaft niederlassen, wo so viele Menschen leben.“

Auch andere Arten sind ständig in Bewegung. Genaue Angaben über den Wildbestand lassen sich daher kaum machen, wie Dieter Lang vom Forstrevier Leinfelden-Echterdingen erklärt: „Zuverlässige Zahlen über den Bestand, der sich aktuell an einem Ort aufhält, sind kaum zu liefern. Eine Wildsau kann pro Nacht 15 bis 20 Kilometer zurücklegen. Der Echterdinger Wald und der Schönbuch bieten Tausende Hektar Forst. In so einem Gebiet findet das Wild eine Menge Auslauf.“ Prognosen, wie wahrscheinlich Begegnungen mit Wildtieren in Stadtnähe sind, seien kaum zu treffen, so Lang.

Eckard Hellstern, Förster im Revier Plattenhardt, kann zumindest eine Einschätzung abgeben, wie sich der Bestand in den vergangenen Jahren entwickelt hat: „Rehwild nimmt im Wald seit Jahrzehnten zu“, berichtet er. „Das ist ein Problem, wenn es um meine wichtigste Aufgabe geht: den Aufbau klimastabiler Wälder über die sogenannte Naturverjüngung.“ Denn junges Grün mundet den Rehen besonders gut. Um die Größenordnung der Rehwildbestände zu bestimmen, machen Förster landesweit alle drei Jahre Vegetationsaufnahmen. Hellstern: „Der Schaden durch Verbiss an der Vegetation und den jungen Waldbäumchen wird erhoben. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf die Rehwildpopulation ziehen.“ Auch Wildschweine fühlen sich um Filderstadt offenbar ausgesprochen wohl. „Die Bestände schwanken“, gibt der Forstfachmann zu verstehen. „Durch Zuwachsraten von bis zu bis 300 Prozent ist jedoch immer wieder die Gefahr des Überbestandes gegeben.“

Wildschweine pflügen Maisfeld um

Im Jahr 2016 wurde das auch außerhalb des Waldes spürbar. Dieter Lang erinnert sich: Damals hätten die Schwarzkittel auf den Feldern erhebliche Verwüstungen hinterlassen. „In ihrer natürlichen Umgebung verursachen Wildschweine eigentlich keine Schäden“, erklärt er. „Wenn sie ein Maisfeld umpflügen, sieht das anders aus.“

Begegnungen zwischen Mensch und Wildschwein sind selten. Normalerweise sind die Tiere nachtaktiv, zudem suchen sie in der Regel Deckung. Lang erklärt, wie es zu den zerwühlten Feldern kommen konnte: „In Musberg liegt ein größeres Waldgebiet. In Leinfelden ein kleineres. Zwischen diesen Arealen stand im Sommer vor zwei, drei Jahren viel Mais. Die Wildschweine haben diese Flächen genutzt, um von einem Wald zum anderen zu kommen.“ Eine Reaktion war, dass verstärkt Schwarzwild geschossen wurde.

Unliebsame Wildtiere zu erlegen, ist für Privatleute keine Option. „Auch wer eine Falle aufstellt, verstößt gegen geltendes Recht“, stellt Klaus Lachenmaier klar. „Die Bejagung von Wildtieren ist gesetzlich klar geregelt. Es gibt also nur zwei Möglichkeiten: Entweder, die Anwohner schützen sich mit einfachen Mitteln selbst, oder sie wenden sich an einen Experten.“ Das muss nicht der Jäger sein. „Ich hatte erst gestern eine Dame am Telefon, die ein Problem mit Füchsen hatte“, berichtet der diplomierte Biologe. „Sie hatte eigentlich alles richtig gemacht und sich an zwei unterschiedliche Schädlingsbekämpfer gewandt. Leider war sie hereingefallen. In einem Fall hatte sie gegen Vorkasse keine Gegenleistung bekommen, im anderen Fall waren die Kosten horrend. Dass die Leute so abgezockt werden, zeigt, wie groß der Bedarf ist.“

Wildtiere sollten nicht gefüttert werden

Lachenmaier rät zu mehr Gelassenheit. Marder oder Fuchs seien im Grunde nicht gefährlich. Mehr Toleranz sei wünschenswert. Zu denken gibt ihm, dass Stadtbewohner oft irrational mit den Besuchern aus der Wildnis umgehen: „Ich habe Fälle erlebt, in denen die Bewohner eines Hauses Füchse füttern, während die Nachbarn nach dem Jäger rufen“, erzählt er kopfschüttelnd. „Beides ist Quatsch. Man muss nicht jeden Fuchs fangen oder schießen lassen, der in einem Garten auftaucht. Andererseits sollten Wildtiere nicht gefüttert werden. Sonst schafft man sich selbst Probleme, die vermeidbar wären. Das gilt für Eichhörnchen wie für Füchse.“