Das Bild des sich krümmenden, weißhaarigen Assange hat am Donnerstag für Überraschung gesorgt. Foto: PA Wire

Wikileaks-Gründer Julian Assange ist aus seinem Asyl in der ecuadorianischen Botschaft abgeführt worden und befindet sich in den Händen der britischen Behörden. Dennoch scheinen seine schlimmsten Befürchtungen nicht wahr zu werden.

London - Diesmal war es kein triumphaler Auftritt auf dem Balkon, kein stolzer Appell an seine Anhänger rund um die Erde. Stattdessen wurde Julian Assange von britischen Polizisten ganz und gar würdelos aus seinem Zufluchtsort der vergangenen Jahre auf die Straße manövriert.   Sieben Mann in Zivil schleppten den sich sträubenden Wikileaks-Begründer aus der ecuadorianischen Botschaft in London in einen wartenden Gefängniswagen. Vergebens wehrte sich der 47-Jährige gegen seine Verhaftung und Abführung in Handschellen.

Begreifliche Überraschung löste das Bild des sich krümmenden, weißhaarigen Zeitgenossen aus, das jemand aufnahm während der Festnahme. Immerhin hatte der ehedem blonde Australier, ohne je ins Freie zu kommen, sechs Jahre und zehn Monate lang im Botschaftsgebäude gesteckt.   Als der ecuadorianische Präsident Lenin Moreno ihm jetzt das Asylrecht entzog und Scotland Yard einlud, Assange abzuholen, ging für diesen eine Ewigkeit selbstgewählter Isolation zu Ende.

Die Polizei führte ihn ab, um ihm „schnellstmöglich“ dem Magistrats-Gericht von Westminster vorführen zu können. Dort, beim Gericht, lag immer noch ein Haftbefehl gegen Assange aus dem Jahr 2012 vor. Seinerzeit war Assange von der schwedischen Justiz gesucht worden, wegen angeblicher Vergewaltigung einer Klägerin und sexueller Belästigung einer zweiten zwei Jahre zuvor.   Als er vergeblich versucht hatte, sich vor britischen Gerichten der Abschiebung nach Schweden zu widersetzen, war Assange im Juni 2012 in die ecuadorianische Botschaft spaziert, um die entgeisterten Botschafts-Mitarbeiter um Asyl zu bitten. Dieses Asyl wurde ihm zwei Monate später gewährt. Fünf Jahre später musste die schwedische Staatsanwaltschaft ihre Auslieferungs-Forderungen wegen Verjährung fallen lassen.  

Kampagnen gegen Assanges Auslieferung bereits gestartet

Aber der Haftbefehl in Westminster blieb weiter bestehen: Weil Assange einen entsprechenden Londoner Gerichtsbescheid mit seiner Flucht in die Botschaft ignoriert hatte. Mittlerweile hat Scotland Yard eingeräumt, dass Assange nicht nur wegen jenes Verstoßes gegen britischen Rechts festgenommen worden ist – sondern auch, weil Washington seine Auslieferung verlangt hat, in einem separaten Fall.  

Ein solches Auslieferungsbegehren hatte Assange lange befürchtet. Es bezieht sich auf die Veröffentlichung geheimer Depeschen von US-Diplomaten, die Wikileaks 2010 ins Netz gestellt hatte. Vor allem ein Video aus jenem verbotenen Fundus ist in Erinnerung geblieben: Es zeigte, wie US-Soldaten von einem Hubschrauber aus 18 Zivilisten töteten im Irak.   Dass sie Assange vor Gericht stellen wollten, hatten die US-Behörden nie offen bekannt. Erst ein Versehen von Justizbeamten im November letzten Jahres machte deutlich, dass etwas im Gange war.

Das US-Justizministerium beeilte sich, noch am Donnerstag zu erklären, dass Assange „nur“ fünf Jahre Haft zu erwarten habe in den Staaten für seine „Verbrechen“. In London, aber auch international, ist bereits eine Kampagne gegen die Auslieferung in Gang.   Spaniens Podemos-Chef Pablo Iglesias forderte die sofortige Freilassung Assanges. Der frühere ecuadorianische Präsident Rafael Correa, der Assange 2012 das Asylrecht verschafft hatte, nannte die Aktion seines Nachfolgers Moreno „Verrat“.   Moreno selbst rechtfertigte seine Entscheidung mit dem Verweis darauf, dass Assange Auflagen missachtet und den Interessen Ecuadors geschadet habe.

Seit Jahren klagte man in der Botschaft über Assange

Aus der Botschaft waren seit Jahren Klagen über Assange gekommen. Man hatte ihn sich dort seit langem vom Hals gewünscht. Die britische Regierung dankte Moreno für seine Entscheidung. Außenminister Jeremy Hunt erklärte: „Julian Assange ist kein Held.“ Jahrelang habe er sich „vor der Wahrheit gedrückt“. Premierministerin Theresa May wandte sich ans Unterhaus mit der Bemerkung, sie sei sich sicher, dass das ganze Parlament die Nachricht von Assanges Verhaftung begrüße. Vor dem Magistratsgericht wies Assange am Donnerstag alle Schuld von sich. Er warf dem Gericht vor, ihm kein faires Verfahren zu gewähren. Das nannte der amtierende Richter Michael Snow schlicht „lächerlich“. Dem Australier drohen zunächst einmal zwölf Monate Haft in britischem „Gewahrsam“, wegen Flucht vor dem existierenden Haftbefehl. Am 2. Mai wird er erneut dem Gericht vorgeführt.