Vor einem Jahr eröffnete Borgward in Stuttgart sein erstes Markenzentrum. Heute sieht es darin trist und grau aus. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die wiederbelebte Bremer Automarke Borgward hat mit Rückschlägen und Verzögerungen zu kämpfen. Offen, wie sich der Wechsel des chinesischen Mehrheitseigners auf die Strategie auswirkt. In Stuttgart herrscht Unruhe.

Stuttgart - Vor einem Jahr feierte der Autobauer Borgward die Eröffnung seines ersten deutschen Brand Experience Center. Dieses Autohaus der etwas anderen Art liegt in der Lautenschlagerstraße nur wenige Hundert Meter von der Firmenzentrale beim Stuttgarter Hauptbahnhof in bester Innenstadtlage entfernt. Auf der anderen Straßenseite ist die Kanzlei Gleiss Lutz zu Hause, einige Meter weiter reiht sich hier Restaurant an Restaurant.

Das neue Markenzentrum war damals indes noch eine Baustelle. Anders als erwartet sei dem Autohersteller nur ein Rohbau übergeben worden, entschuldigten Manager das behelfsmäßige Ambiente. Nur virtuell konnte gezeigt werden, wie hier einmal Autos ausgestellt und auf drei großen digitalen Displays unterschiedlich konfiguriert und miteinander verglichen werden könnten. Es sollte einen gläsernen Besprechungsraum und eine Lounge-Ecke geben. Kunden sollten hier ihr Auto zur Probefahrt abholen oder den Kaufvertrag abholen können.

Der rote Teppich ist aus dem Markenzentrum verschwunden

Ein Jahr danach ist das Markenzentrum indes immer noch ein Rohbau. Der rote Teppich, auf dem vor einem Jahr der Geländewagen BX 7 im Scheinwerferlicht stand, ist entfernt. Der große Raum ist trist und grau und menschenleer, wie sich beim Blick durch die Scheibe der Eingangstür erkennen lässt, an der Decke schlängeln sich silberne und schwarze Rohre entlang.

Seit dem Neustart vor vier Jahren hat Borgward immer wieder mit Verzögerungen und Rückschlägen zu kämpfen. Gespräche über einen Verkauf von Neuwagen über ein Internetportal des Autovermieters Sixt wurden ohne Ergebnis abgebrochen, der schon vor drei Jahren verkündete Bau eines Montagewerks am ehemaligen Borgward-Stammsitz in Bremen ist bis heute nicht verwirklicht worden.

Das Unternehmen begründete die Hängepartie damit, dass Investitionen von chinesischen Unternehmen im Ausland von der Regierung in Peking seit einiger Zeit genauer unter die Lupe genommen würden. Nun dürfte auch ein Wechsel des Borgward-Eigners für eine weitere Verzögerung gesorgt haben. Ende Dezember vergangenen Jahres hat der chinesische Lkw-Hersteller Foton eine Mehrheitsbeteiligung an das chinesische Start-up Ucar abgegeben.

In China geht der Absatz auf Talfahrt

Ucar betreibt einen Fahrdienstleister nach dem Muster des US-Unternehmens Uber, allerdings mit eigenen Autos. In China, wo die Wagen von Borgward in einer Fabrik bei Peking produziert werden, hat der neue Eigentümer nicht gerade für einen Absatzschub gesorgt. Seit Jahresbeginn zeigt der Trend in China deutlich abwärts. Im März und April wurden dort nur noch jeweils 1000 Wagen verkauft, deutlich weniger als in den Vorjahren. Wie der Absatz in Deutschland läuft, ist unklar. Das Kraftfahrt-Bundesamt veröffentlicht keine Zahlen, weil sie zu klein sind, das Unternehmen ließ mehrere Anfragen unserer Zeitung unbeantwortet. Bisher wird hierzulande als einziges Modell der Geländewagen Borgward BX 7 mit Benzinmotor verkauft.

Wie Ende Dezember in China mitgeteilt wurde, soll unter Führung des Franzosen Bruno Lambert die Marke Borgward weiterentwickelt und ein neues Vertriebssystem erarbeitet werden. Unter der Führung von Lambert wurde beim chinesischen Start-up Iconiq Motors ein Elektroauto entwickelt. Zuvor war er Asienchef des Auftragsfertigers Magna Steyr.

In der Belegschaft gibt es viel Unruhe

Wie der Bremer „Weser-Kurier“ unter Berufung auf einen Borgward-Sprecher berichtet, werde an einem Wachstumsplan für Europa gearbeitet. Deutschland sei dabei ein Schlüsselmarkt, heißt es. Borgward wolle „von neuen Wachstumschancen profitieren, die sich aus neuen Geschäftsmodellen ergeben, bei denen es darauf ankommt, die Fahrzeugnutzung zu maximieren“. Dies könnte darauf hindeuten, dass Ucar mit seinem Fahrdienst auch ins Ausland expandieren will oder gemeinsam mit seiner deutschen Tochter Borgward ein Carsharing-Angebot plant.

In der Belegschaft in Stuttgart gibt es dem Vernehmen nach derzeit viel Unruhe. Viele Entwickler sehen sich derzeit nach Jobs bei anderen Unternehmen um, berichtet ein Insider. Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer bleibt auch nach dem Wechsel des Mehrheitseigners skeptisch. „Ich sehe eigentlich so gut wie keine Chancen für Borgward“, sagt der Leiter des Forschungsinstituts CAR an der Universität Duisburg-Essen.