Cornelia Gröschel als Rosalind und Andreas Klaue als gehörnter Jaques Foto: Tobias Metz

Im Alten Schauspielhaus Stuttgart macht dessen ehemaliger Intendant Carl Philip von Maldeghem macht aus Shakespeares „Wie es euch gefällt“ eine Klamotte.

Stuttgart - Am Ende war der Applaus herzlich und anhaltend. Und doch hatte man als Premierenbesucher von William Shakespeares auf eine pastorale Schäferdichtung zurückgehender Komödie „Wie es euch gefällt“ am Freitagabend im Alten Schauspielhaus den Eindruck, dass es zwischen Publikum und Bühnengeschehen nicht so richtig gefunkt hat. Und das, obwohl Regisseur Carl Philip von Maldeghem das mit einer dreifachen Hochzeit endende Verwirrspiel publikumswirksam mit Gitarrensound, Tanzeinlagen und schwäbischer Mundart gespickt hat.

Auch wenn die Komödie über weite Strecken zur Klamotte wurde, ließen sich die Zuschauer nicht von der musikalischen Showeinlage des gehörnten Jaques (Andreas Klaue) zum Mitklatschen animieren und reagierten auch sonst recht zurückhaltend auf all die Kalauer, mit denen der Regisseur das gut 400 Jahre alte Stück offenbar näher an die Gegenwart binden wollte.

Zur Melodie einer Spieluhr, angekurbelt vom Clown Touchstone, den Claudia Carus als Rockröhre mimt, treten die Darsteller in Alltagskleidung aus dem Publikum auf die Bühne, die ja bekanntlich weltumspannend ist: „all die Männer und Frauen Schauspieler. Sie haben Abgänge und Auftritte, und jeder Mensch spielt viele Rollen“. Shakespeares Zeilen „All the world’s a stage“ aus dem eigentlich aus der Stückmitte stammenden Monolog des Melancholikers Jaques eröffnet als Song das Geschehen vor einem Vorhang in Kartoffelsack-Grau. Auf dem verbleibenden Bühnenstreifen, den man sich als Hofgarten des Herzogs denken muss, entspinnen sich die Verwerfungen zwischen Orlando und seinem finsteren Bruder Oliver, den Gunnar Blume als aalglatte mephistophelische Figur spielt.

Die Darsteller stolpern durch ein Labyrinth von Stäben

Mit diesem undefinierten Setting wird die Chance vertan, das Verhalten der Figuren mit ihrem jeweiligen Aktionsraum zu verknüpfen: Im ersten Aufzug sieht man eine überregulierte Zivilisation, in der Intrigen gesponnen werden, später ist Wald ein Zufluchtsort, in dem herkömmliche Ordnungen nicht mehr gelten und die Sinne getäuscht werden. Ausstatter Thomas Pekny hat ihn mit vom Schnürboden hängenden Stäben gestaltet. Doch die Darsteller stolpern recht brachial durch dieses Labyrinth, lassen sich nicht berühren von der Wildnis. Allenfalls der schwäbelnde Schafhirte Silvius, dessen rechtschaffene Naivität Daniel Kozian anrührend verkörpert, bewegt sich traumwandlerisch durch das Dickicht und muss miterleben, wie seine Angebetete Phoebe (unerschrocken: Antonia Leichtle) die Eindringlinge mit einem begehrlichen „Halli, Hallo, Hallöchen“ begrüßt.

Rosalind, dargeboten von der am Sonntag im Ersten als neue Dresdner „Tatort“-Kommissarin zu sehenden Cornelia Gröschel, und Celia, die Marthe Lola Deutschmann als aufgewecktes Glamourgirl spielt, treten als unzertrennliche Cousinen auf, die kaum beeindruckt auf Herzog Frederiks Verbannung reagieren. Armin Jung spielt den Bösewicht mit einprägsamer Stimme, um vor den Augen des Publikums nicht nur den Mantel, sondern auch den Charakter zu wechseln und zum milden Herzog Ferdinand zu werden.

Keine Verwirrung beim Wechsel zwischen den Geschlechtern

Gröschel unterstreicht ihre Verkleidung als Junge mit einer kernigen Körpersprache und Pokerface. Doch es gelingt ihr nicht so ganz, ihre Sehnsucht nach dem von ihr angeordneten Liebeswerben Orlandos glaubhaft zu machen. Weder sie noch Daniel Tille als Orlando machen deutlich, welche Verwirrung mit dem Changieren zwischen den Geschlechtern sowie echten und gespielten Gefühlen einhergeht.

Von Maldeghems Textfassung und Inszenierung folgen der vorgegebenen Handlung. Die eigenmächtigen Einschübe, etwa im Zuge der bei Shakespeare mühelosen Umbenennung Rosalinds zu Ganymed, die in Vorschlägen wie Bob der Baumeister gipfelt, buhlen um Lacher, eröffnen aber keine neue Lesart.

Post-it-Zettel als eingeritzte Bauminschriften, Hera Lind als Reim auf Rosalind oder plakative Sprüche wie „Ich bin Arzt, lasst mich durch“, die dem plötzlich zupackenden Jaques in den Mund gelegt werden: Was bringen solche sprachlichen und optischen Modernisierungen, wenn nach dem Verwirrspiel zwischen den Geschlechtern die zu Shakespeares Zeiten gültige Ordnung ohne jede Ironie wieder hergestellt wird? Dass Frauen Männer lieben sollen und Männer Frauen: Diese Gewissheit ist längst überholt und erscheint umso rückschrittlicher, je mehr Fortschrittlichkeit vorgegaukelt wird.

Weitere Vorstellungen: bis 1. Juni täglich um 20 Uhr, außer sonntags. Am 4., 18. und 26. Mai um 16 Uhr. Kartentelefon: 22 77 00.