Auch am letzten Spieltag der Zweitligasaison durften die Fans des VfB Stuttgart nicht vorbehaltlos jubeln. Zwar feierten sie den Aufstieg in die Bundesliga, wegen der 1:3-Niederlage gab es aber auch enttäuschte Mienen. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Auch ohne große Aufstiegssause bejubeln die Fans des VfB Stuttgart den Aufstieg gemeinsam in der Stuttgarter City. Ein Streifzug durch die Stadt.

Stuttgart - Das Spiel hat noch gar nicht begonnen, da weiß Eren Altan schon, dass dieser Sonntagnachmittag ein guter für ihn wird. Eigentlich hat der 29-Jährige seinen Traum vom Gastrolokal mit Innenstadtlage genau zur falschen Zeit wahr werden lassen: Nach gerade einmal vier Wochen musste der neue Inhaber des Café Le Théâtre an der Bolzstraße coronabedingt schließen. In die Zeit nach dem Lockdown ist der frischgebackene Wirt nun aber ganz gut gestartet – auch dank des VfB Stuttgart. „Man sieht das ja: Am Sonntag ist die Innenstadt fast leer, nur bei uns brummt es“, sagt er und zeigt auf die Terrasse seiner Bar, die fest in weiß-roten Händen ist. Zum Anpfiff gesellt sich Altan selbst zu seinen Gästen und fiebert mit. „Das ist hier schließlich ein Ur-VfB-Café“, erklärt er lachend.

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Die Gästeschar an diesem Sonntag bestätigt das jedenfalls: Weiß-rote Farbtupfer dominieren die Terrasse, einige sind in voller Montur mit Trikot und leger um den Hals gehängten VfB-Mundschutz angereist. Zu den besonders gut Ausgestatteten gehört auch der kleine Spontanstammtisch um Michael Förster und Norbert Grewin. Normalerweise unterstützen die beiden ihren Herzensverein mit Dauerkarte im Stadion, reisen dafür sogar regelmäßig aus Bad Säckingen und Rottweil in die Landeshauptstadt. Die weite Anreise haben sie auch am letzten Spieltag trotz Geisterspiel auf sich genommen. „Bei so einem Ereignis musst du einfach nach Stuttgart“, sagt Norbert Grewin. So sehen das auch seine Tischnachbarn Markus Wagner und Lukas Lallemand, die vom Rande der Schwäbischen Alb ins Epizentrum nach Stuttgart gekommen und dort auf Grewin und Förster getroffen sind. „Wir kannten uns davor nicht, jetzt fiebern wir gemeinsam dem Aufstieg entgegen“, so Lallemand.

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Im Café Le Théâtre haben die vier erst einmal nicht viel zu jubeln: Ein kollektives Aufjaulen erfasst die Fangemeinde, als Darmstadt nach 32 Minuten in Führung geht. „Noch ist ja alles im grünen Bereich“, lacht Lukas Lallemand den Rückstand weg. Und er soll recht behalten: Wenige Minuten später erweckt Mario Gomez das Café Le Théâtre wieder zum Leben, mit rhythmischem Applaus wird das Urgestein in seinem letzten Spiel für den VfB gefeiert. Richtige Stadionstimmung mag trotzdem nicht aufkommen. „Ist ja auch klar: Es geht um nichts mehr, der Aufstieg ist so gut wie sicher“, erklärt sich Norbert Grewin die Tristesse. Etwas nervöser sind da schon Lukas Lallemand und Markus Wagner, die als echte Ostälbler auch auf den Aufstiegskampf des 1. FC Heidenheim schielen. „Ein schwäbisches Derby in der ersten Liga? Das wäre schon was“, so Lallemand.

Bei Jona Kieble und seinen Eltern liegt der Fokus auch in der zweiten Halbzeit noch ungeteilt beim VfB: Erst drei Jahre alt ist der junge Stuttgarter, jubelmäßig aber schon erstklassig. Besonders gefreut habe ihn das Tor von Mario Gomez, gibt er dem Reporter mit eifrigem Kopfnicken zu verstehen. Für die zweite Hälfte hofft er nun auf seinen Lieblingsspieler: „Philipp Förster soll ein Tor schießen.“

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So ganz erfüllt sich der Wunsch des jungen Stuttgarters nicht: Den erneuten Führungstreffer für Darmstadt goutiert die Terrasse mit leise gezischten Flüchen. Stimmungsmäßig bleibt es beim lauwarmen Sonntagskick. Erst als Mario Gomez in der Schlussphase ein letztes Mal den Rasen der Mercedes-Benz-Arena verlässt, brandet minutenlang Applaus auf. Das dritte Tor der Darmstädter hingegen wird nur noch mit leisem Murren zur Kenntnis genommen.

Auch zum Abpfiff weicht das nüchterne Schweigen keinen Fangesängen. Die Innenstadt zeigt sich ebenfalls größtenteils unbeeindruckt vom Wiederaufstieg des VfB: Um 18.15 Uhr versucht sich eine Handvoll Autos auf der Theodor-Heuss-Straße an einem Korso, der sich schnell wieder in Luft auflöst. Vereinzelt flattern weiß-rote Fahnen aus den Fenstern – mehr Aufstiegsfreude entwickelt sich auf Stuttgarts Partymeile nicht.