Als Jugendlicher gehörte Gasparitsch der Widerstandsgruppe G an. Der Ostheimer blieb sein Leben lang Humanist und Kommunist. Foto: Archiv

Am 30. März wäre der Stuttgarter Widerständler und Antifaschist Hans Gasparitsch 100 geworden. Zeitlebens hatte er vor Nationalismus, Antisemitismus und der Feindlichkeit gegenüber anderen Völkern, Religionen und Kulturen gewarnt.

Stuttgart - Die Szene spricht Bände. Im Film erinnert sich Hans Gasparitsch an den Brief eines Franzosen, der sich bei ihm bedankte, dass er ihn vor dem Verhungern gerettet habe. „Er war Dolmetscher in unserer Schreibstube. Ich habe ihm wohl immer etwas von meinem Vesper abgegeben“, so Gasparitsch und ergänzt, dass er das vergessen hatte. Wohl, weil helfen für ihn selbstverständlich war. „Hans Gasparitsch – ein menschlicher Mensch!“, resümiert der Historiker Christoph Leclaire in einer aktuell erschienen Broschüre, die er mit Ulrich Schneider herausbrachte. Sie würdigt zum 100. Geburtstag von Gasparitsch am 30. März dessen Lebensleistung, für die er 2000 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse erhielt. „Biografien von Antifaschisten sind heute notwendiger denn je“, so Schneider.

Das zeigt das Beispiel der Schreibstube: Sie befand sich im Konzentrationslager Dachau. Dorthin wurde der Widerstandskämpfer, der am Stöckach geboren und im Arbeiterviertel Ostheim als einziges Kind eines Tiroler Schusters und einer schwäbischen Schneiderin aufwuchs, im November 1937 „verschubt“. Wegen einer Denunziation kam er 1944 in ein Todeskommando des KZ Buchenwald, wurde aber dank solidarischer Häftlinge ins „Kommando Effektenkammer“ des Stuttgarters Willi Bleicher verlegt. Das rettete sein Leben. Als sich in Buchenwald die Häftlinge am 11. April 1945 mit Waffen befreiten, war Gasparitsch gerade mal 27 Jahre alt – und hatte bereits über die Hälfte seines Lebens in Gefangenschaft verbracht.

Mit Freunden verbreitete er Flugblätter gegen das Regime

Grund: Er war Mitglied der Widerstandsgruppe G, also Gemeinschaft. Die formierte sich 1934 aus einer Jugendgruppe der Stuttgarter Arbeiterbewegung. Deren Organisationen hatten die Nazis nach der Machtergreifung verboten. Hans und seine Freunde trafen sich dennoch, mit Tarnnamen – Hans war „Micha“ – verbreiteten sie Flugblätter gegen das Regime.

Als „Micha“ am 14. März 1935 gegen 21 Uhr mit roter Farbe an die Rossebändiger-Skulpturen im Unteren Schlossgarten, wo viele Arbeiter von den Cannstatter Fabriken heimströmten, die Parolen „Rot Front“ und „Hitler = Krieg“ schrieb, wurde er gefasst. Wochenlang verhörten die Nazis den Schriftsetzerlehrling im Hotel Silber, der Stuttgarter Gestapo-Zentrale. Der fast 17-Jährige schmorte in verschiedenen Gefängnissen, etwa in der Büchsenstraße, der „Büchsen-Schmiere“. Als dann 1936, im März, 19 Mädchen und Jungen zwischen 14 und 26 Jahren vom Oberlandesgericht wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ schuldig gesprochen werden, stand Gasparitsch oben auf der Liste. Die Strafe von zweieinhalb Jahren verwandelte die Gestapo in „Schutzhaft“. Es folgte eine KZ-Odyssee.

Dank seiner Frau Lilly wurde er wieder Mensch

Nach dem Krieg träumte Gasparitisch „15 Jahre jede Nacht“ vom KZ. Wieder Mensch sei er durch seine Frau Lilly geworden, mit der er zwei Töchter bekam. Politisch tätig war er auch 1945, als Mitbegründer der „Vereinigung der politischen Gefangenen und Verfolgten des Naziregimes“ (VVN), „Investigator“ in der Entnazifizierungs-Abteilung der US- Militärverwaltung, Redakteur der Stuttgarter „Volksstimme“, dem KPD-Organ. 1950 hatte er das Abitur nachgeholt und Publizistik studiert. Mit dem KPD-Verbot 1956 verlor er seine Arbeit als Journalist. Er arbeitete bis zur Pensionierung als Bauingenieur.

Aber sein Leben prägte der Kampf gegen den Faschismus und für eine gerechte Welt. Als „Fritz Kasper“ schrieb er das Buch „Die Schicksale der Gruppe G“. Er engagierte sich im Dokumentationszentrum des einstigen KZ Oberer Kuhberg, im VVN-Bund der Antifaschisten, in den Lagergemeinschaften der Konzentrationslager Dachau und Buchenwald. Bis ins hohe Alter, er starb 2002, las er in Schulklassen, führte durch KZ-Gedenkstätten und organisierte antifaschistische Rundfahrten durch Stuttgart. Bei der Blockade des Atomwaffenlagers in Mutlangen und einer Aktion gegen den Ministerpräsidenten und Ex-Marinerichter Hans Filbinger erschien er in der Kluft der KZ-Häftlinge.

Aus der DKP trat er aus, aber er bleibt Kommunist

Gasparitsch warnte vor schlummerndem Nationalismus, Antisemitismus und der Feindlichkeit gegenüber anderen Völkern, Religionen und Kulturen. Größtes Übel sei der Glaube, man könne „durch Waffengewalt Probleme der Menschheit lösen“. Im Jahr 1990 aus der DKP ausgetreten, fühlte er sich dennoch als Kommunist, obwohl er folgerte, dass diese wunderbare Utopie nicht verwirklichbar sei. Sie sei „zu ideal für die Menschen, wie sie wirklich real sind.“