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Ein ungewöhnliches Duell - das Kräftemessen zwischen Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU).

Berlin - Es ist das ungewöhnlichste Duell der letzten Zeit - das Kräftemessen zwischen Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Im Eiltempo düsen die beiden um die Welt.

Die Zeit der belanglosen Kennenlern-Tripps, der hübschen Bilder und der unverbindlichen Nettigkeiten seiner neuen Amtskollegen sind bei Guido Westerwelle vorbei. Jetzt legte der neue Außenminister in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem einen Kranz nieder. Die Geste markierte den Auftakt seines heiklen zweitägigen Besuchs in Israel.

Dabei geht es um schwierige Themen wie den israelischen Siedlungsbau in den besetzten Gebieten, um das Flottmachen des feststeckenden Friedensprozesses. Es geht auch um das Ausräumen von Vorbehalten gegenüber seiner Person. Vorbehalte aus der traumatischen Möllemann-Zeit, als eine selbstvergessene FDP mit gezielten Attacken gegenüber Israel innenpolitisch Punkte sammeln wollte. Westerwelle hatte sich eine Weile lang von Möllemann mitreißen lassen.

Angespannt wirkt Westerwelle, sehr konzentriert, auch sehr professionell. Diplomatische Sprachregelungen geben Halt, daran kann er sich klammern in diesen ersten Wochen im Außenamt. So war es kürzlich in Russland, so war es bei seinem Kurzbesuch in Afghanistan, und zuvor auch schon in Washington. Das jungenhafte Staunen über seine neue Rolle, das ihn bisweilen öffentlich anwandelt, muss man nicht schelten. Noch ist das ehrlich und nicht unsympathisch. Er kann das durchaus vom Business trennen.

Nur eines kann er nicht: Er kann nicht in die USA reisen und einfach mal so sagen: "Es ist großartig wieder hier zu sein", oder gar mit einer Hand in der Hosentasche von einer "Rückkehr zu den Wurzeln" schwärmen. Guttenberg - der kann das. Der Freiherr und Verteidigungsminister hat das gerade getan bei seinem Antrittsbesuch in den USA. Und irgendwie hatte man das Gefühl, er träfe überall auf alte Bekannte, gute Freunde, Weggefährten seit alters her. Karl-Theodor zu Guttenberg, oder "KT" (sprich "Käi-Tieh"), wie sie ihn in den Staaten rufen, geht mit einem großen Startvorsprung ins Ministerrennen. Der CSU-Politiker Guttenberg kennt schon das Terrain, das Westerwelle erst noch erkunden muss.

Und weil er mit dem Gelände so vertraut ist, kann sich der bestens vernetzte Minister auch gezielte Grenzübertritte leisten. Er genießt es, dass er in den USA den Interpreten des neuen Außenministers geben kann: Ob Westerwelle wirklich einseitig den Abzug der letzten US-Atomwaffen in Deutschland durchsetzen will, wird Guttenberg gefragt. Aber nein, beruhigt der gern, das gehe doch nicht einseitig. Ganz unmöglich. Das wisse auch Westerwelle. Und die Amerikaner sind beruhigt, ist doch gut, dass "KT" für Klarheit sorgt.

Natürlich fällt das auf - nicht nur in Washington, aber da besonders. Während Westerwelle noch prüft, ob ihn der Boden trägt, rammt der neue Mann auf der Hardthöhe Pflöcke ein: Das Engagement der Bundeswehr nennt er einen "kriegsähnlichen Einsatz", Auslandseinsätze der Bundeswehr erklärt er in Washington kurzerhand zum "Normalfall". "Das war kein Detail, er hat ein Rahmendatum der deutschen Außenpolitik verändert - ohne Westerwelle einzubinden", staunt Gernot Erler (SPD), der ehemalige Staatssekretär im Außenamt. Erler sieht die Spielräume des Außenministers gleich von zwei Seiten eingeengt. Eine "Zangenbewegung" nennt Erler das. Guttenberg setze Akzente, aber andererseits gebe die Kanzlerin "in allen Fragen, die wirklich interessant sind" die Linie vor.

Wo also bleiben Westerwelles Visionen? Die Frage ist unfair. Hatte Steinmeier eine Vision? Oder Kinkel? Immerhin, es gäbe eine, und Westerwelles sehr fachkundiger Berater Werner Hoyer (FDP) redet seit langem darüber, dass die Nato und die UN endlich eine neue Aufgabenbeschreibung brauchten, ein Gesamtkonzept. Genau darüber allerdings hat sich Guttenberg in einem viel beachteten Vortrag in den USA schon kluge Gedanken gemacht. Das Thema ist also besetzt.

Die Opposition findet die Zwangslage des selbstbewussten FDP-Chefs so schrecklich nicht. In dieser Wunde kann man prächtig bohren. "Dass Westerwelle in der Europapolitik keine Rolle spielt, hat die Kanzlerin ihm bei der jüngsten Besetzung der EU-Spitzenposten deutlich gemacht", ätzt der Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. "Für die wichtigsten anderen Themen hat sie ihm mit zu Guttenberg einen Nebenaußenminister vor die Nase gesetzt."

Man muss kein Mitleid haben. Westerwelle hat es so gewollt. Weil er für die FDP das Wirtschaftsressort beanspruchte, hat er Guttenberg ins Verteidigungsressort gedrängt. Und obwohl Westerwelle als Vize-Kanzler an vielen innenpolitischen Fronten gefordert ist, wollte er unbedingt ins Außenamt. Da ist er nun. Ziemlich atemlos. Er ärgert sich wahlweise mit den Vertriebenen herum, ermahnt die Landesregierung in Kiel bloß nicht den reduzierten Mehrwertsteuersatz für die Hotellerie zu torpedieren, ruft die CDU-Ministerpräsidenten zu Koalitionsdisziplin auf, kümmert sich um einen neuen FDP-Generalsekretär und ist bestrebt, seinen Terminplan so zu ordnen , dass er im ersten Halbjahr 2010 Luft für den Wahlkampf in NRW hat - ein bisschen viel, könnte man meinen. Aber Westerwelle hat schon viel geschafft, das man ihm nicht zugetraut hatte - nicht zuletzt den Aufstieg der Liberalen.

Und er lernt schnell. Auch als Außenminister. Dass er den Abzug der Atomwaffen kaum zu seinem Projekt machen kann, hat er inzwischen verstanden. Im Bundestag hatte ihn Gernot Erler jüngst darauf aufmerksam gemacht, dass im Koalitionsvertrag erstaunlicherweise nicht mehr von einer "strategischen Partnerschaft" mit Russland die Rede ist. Bei seinem Moskau-Besuch hat Westerwelle die Russen demonstrativ als strategische Partner gepriesen.

Nun Israel: Als Oppositionschef hatte Westerwelle den Bundeswehreinsatz vor der Küste Libanons abgelehnt. Israel ist inzwischen von dessen stabilisierender Wirkung angetan. Nach einem Sechs-Augen-Gespräch mit Kanzlerin und Guttenberg scheint Westerwelle bekehrt. Kein schlechtes Signal für den Israel-Besuch. Es ist eben auch wahr: Falsch hat Westerwelle noch nichts gemacht. Aber Guttenberg hat alles richtig gemacht. Was nicht dasselbe ist.