Foto: Werner Kuhnle

Wer derzeit Sperrmüll zum Wertstoffhof bringt, braucht Geduld – wegen Frühjahrsputz und Corona.

Steinheim - Punkt 9 Uhr öffnet der Wertstoffhof im Steinheimer Industriegebiet, doch schon 20 Minuten vorher hat sich an diesem Frühlingsmorgen eine kleine Autoschlange gebildet. „Lieber früher aufstehen, als lange zu warten“, mag sich mancher der Fahrer gedacht haben. Doch um eine Wartezeit kommt trotzdem keiner herum. Gemurrt wird deshalb aber kaum, die Fahrer reihen sich geduldig am rechten Fahrbahnrand auf und warten, bis der Wertstoffhof öffnet. Nur ein Mann aus Großbottwar, der zwei ausgediente Matratzen im Auto hat, ist sauer: „Das ist ein Witz, dass immer nur einer gleichzeitig reindarf. Ins Breuningerland komme ich ungehindert rein“, moniert er.

Der Unmut ist ein Stück weit nachvollziehbar, aber ganz auf dem neuesten Stand ist der Mann nicht mehr. „Das war am Anfang so, als es mit der Corona-Krise losging“, erklärt Thomas Menges, der überörtliche Betriebsleiter der Wertstoffhöfe im Landkreis. „Inzwischen dürfen bis zu drei Autos gleichzeitig reinfahren.“ Der Grund dafür sei, dass man nun mehr Mitarbeiter auf den vier Wertstoffhöfen im Landkreis habe, die noch geöffnet haben. Sie seien von den fünf derzeit geschlossenen Sammelstellen abgezogen worden.

Wie schnell jemand reinkommt, kann aber auch davon abhängen, was er geladen hat, erklärt Menges weiter: „Wenn zwei gleichzeitig an denselben Container wollen, geht das nicht.“ Deshalb steht der AVL-Mitarbeiter Andreas Ceczka auch schon vor dem Tor, wo rot-weiß gestreifte Pylonen die Ein- und Ausfahrt markieren, und fragt die Anlieferer, was sie alles mit dabeihaben.

Das ist aber nicht seine einzige Aufgabe. Denn weil die Autos alle dicht am Straßenrand stehen, glaubt der eine oder andere offenbar, die würden dort parken, und fährt flott an der Schlange vorbei bis ganz nach vorne. Da heißt es dann wieder umdrehen und anstellen.

Ebenfalls nicht rein dürfen diejenigen, die ihren Sperrmüll auf einen Anhänger oder in einen Transporter geladen haben. „Für große Mengen vergeben wir Termine am Nachmittag. Denn da braucht man länger zum Entladen. Und die Bürger sollen derzeit ja möglichst schnell abgeben können“, argumentiert der Betriebsleiter. Ein Grenzfall sind die SUVs. So fährt eine Frau mit einem Riesenschiff von Auto vor, hat aber gar nicht soviel mit an Bord.

Man solle derzeit nur abgeben, was unbedingt nötig sei, steht auf den Seiten der AVL zu lesen. Doch auch das ist natürlich Auslegungssache. Eigentlich sollte man nur anliefern, was nach Haushaltsauflösungen oder Umzügen überflüssig ist, doch „wir sind auch nicht böse, wenn jemand jetzt gerade Zeit zum Entrümpeln hat“, meint Menges. Kontrollieren kann man das ohnehin nicht. Und so wird ein buntes Sammelsurium angeliefert. Auf dem Beifahrersitz eines Steinheimers sitzt ein großer Plüschelefant, aber auch Kartonagen und anderes habe er dabei, erzählt er freimütig: „Die Stallpflicht wurde dazu genützt, auszuräumen“, scherzt er.

Ein junger Mann aus Benningen hat dagegen leere Kartons geladen. „Wenn man was bestellt, müssen die Verpackungen ja irgendwo hin“, meint er trocken. Tatsächlich ist die Zahl der Kartonagen auch das Einzige, das nach den Beobachtungen des Betriebsleiters im Moment zugenommen hat: „Da merkt man die verstärkten Online-Einkäufe.“ Ansonsten werde im Frühjahr ohnehin immer mehr angeliefert als während des restlichen Jahres. Allerdings blieben die Fahrzeuge aktuell wesentlich länger auf dem Hof als zu normalen Zeiten.

Gar nicht abgegeben werden können momentan beispielsweise Altreifen. „Deren Annahme kostet Geld, und Bezahlvorgänge sollen im Moment vermieden werden“, erklärt der AVL-Geschäftsführer Tilman Hepperle. Auch das Schadstoffmobil sei derzeit nicht unterwegs, da gebe es nur eine direkte Annahmestelle bei der Firma Kurz. „Wir fahren in der Krise auf Sicht“, betont er.

Inzwischen sind die ersten Bürger am Entladen und fragen die drei Mitarbeiter, wo was hinkommt. Ein junger Neu-Marbacher zieht einen Gartentisch aus seinem VW-Bus und fragt: „Darf das zum Holz?“ „Leider nicht, das ist Außenholz“, entgegnet AVL-Mitarbeiter Maximilian Stolze und hilft kurz darauf seiner Kollegin, die Tür eines der Container zu verriegeln, damit nichts von dem nach draußen purzelt, was einen wild durch durcheinander getürmten Haufen aus Stühlen, Koffern, Matratzen und anderem bildet. Manches davon dürfte wohl, dem Siebzigerjahre-Look nach zu urteilen, schon einige Zeit in Garagen, auf Dachböden oder in Kellern sein Dasein gefristet haben. Ab jetzt ist der Container nur noch über eine Metalltreppe zugänglich.

Auch der Großbottwarer mit den zwei Matratzen hat es nach etwa einer halben Stunde Wartezeit endlich zum Container geschafft und schimpft gleich noch mal drauflos. Die Mitarbeiterin, die die Tirade abbekommt, lässt sich davon aber nicht aus der Ruhe bringen: „Wir können ja auch nichts dafür, wir müssen uns halt an die Regeln halten“, besänftigt sie und bietet obendrein noch an: „Kommen Sie, ich helf’ Ihnen.“ Eigentlich fällt Mithilfe wegen der Abstandsregeln momentan aus, doch Matratzen sind so lang, dass man damit automatisch genügend Distanz zueinander hält.

Die Mitarbeiter sind übrigens alle mit Mundschutz ausgestattet. Und seit Mittwoch dieser Woche müssen das auch alle Kunden der Wertstoffhöfe sein.