Vom Wäscheservice bis zur Fahrradreparatur: In der Werkstatt von Release können Schwerstabhängige stundenweise arbeiten. Foto: Uwe Collmar

Sie sind heroinabhängig und haben auf dem Arbeitsmarkt keine Chance: Mit dem Projekt „Star“ hilft die Einrichtung Release Stuttgart in einer eigenen Werkstatt zwölf Süchtigen Schritt für Schritt zurück ins Arbeitsleben.

Stuttgart - Die Werkstatt im Keller des Gebäudes in der Stuttgarter Innenstadt ist nur 60 Quadratmeter groß, für die zwölf Teilnehmer des Projekts „Star“ bedeutet dieser Ort aber viel mehr. Sie haben als langjährige Heroinabhängige und Arbeitslose keine Chance auf dem normalen Arbeitsmarkt und fallen auch für Maßnahmen des Job Centers aus dem Raster. Hier können sie sich dennoch stundenweise und völlig ohne Druck mit ihren Fähigkeiten einbringen, um wieder einen geregelten Alltag aufzubauen.

Seit Februar 2017 gibt es die Werkstatt und das Projekt bereits. Zunächst sei es ein Experiment gewesen, sagt Ulrich Binder, Geschäftsführer von Release. Aber mittlerweile laufe es so gut, dass sie auf der Suche nach weiteren Auftraggebern seien. „Wir würden gerne noch mehr beschäftigen, brauchen dafür aber eine gewisse Grundauslastung. Vor allem für einfache Tätigkeiten, wie Montagearbeiten, suchen wir noch Firmen, die bereit sind, mit uns zusammenzuarbeiten“, so Binder.

Jeder Teilnehmer hat eine Geschichte

Maximal 15 Stunden pro Woche dürfen die Teilnehmer arbeiten. Einige kommen regelmäßig zur „Arbeit“, wie sie es selbst bezeichnen, andere nur stundenweise. Dabei stehen aber nicht nur die Aufträge von Wäscheservice bis Fahrradreparatur im Vordergrund, sondern auch der sozial-therapeutische Aspekt.

Hinter jedem Teilnehmer steckt eine Geschichte: Sie kommen aus schwierigen Familienverhältnisse oder haben Missbrauchserfahrungen gemacht. Auch Unternehmersöhne sind dabei, die dem Druck nicht gewachsen waren. Eines haben sie alle gemeinsam: Sie sind abhängig von Heroin. Am Standort in der Innenstadt kooperiert die Einrichtung mit der Schwerpunktpraxis für Suchtmedizin. Dort werden etwa 100 chronisch Schwerstabhängige unter ärztlicher Aufsicht und strengen Sicherheitsvorkehrungen mit Heroin oder Methadon behandelt. „Unsere Klienten kommen mehrmals täglich, weil sie hier ihren Ersatzstoff bekommen. Wir bieten mit der Werkstatt eine sinnvolle Alternative“, sagt Christos Slavoudis, der als Sozialarbeiter das Projekt betreut.

Schwerstabhängige leben im Hier und Jetzt

Das Projekt dient aber nicht dazu, drogenfrei zu werden. Vielmehr gehe es zunächst um eine gesundheitliche Stabilität und eine geregelte Tagesstruktur. „Natürlich ist das höchste Ziel die Drogenfreiheit, aber auf dem Weg dorthin gibt es viele weitere Ziele“, so Uwe Collmar, Leiter der Beratungsstelle. Denn der Weg aus der Abhängigkeit ist hart. Problematisch seien nicht nur körperliche Folgen, wie HIV oder Hepatitis, die durch den Konsum von verunreinigtem Heroin entstehen, sondern vor allem die psychischen. „Zukunft und Vergangenheit verlieren an Bedeutung. Abhängige leben im Hier und Jetzt und es fällt ihnen extrem schwer, sich selbst zu motivieren“, erklärt Collmar.

Arbeiten ohne Versagensängste

Durch ihre Vergangenheit hielten viele der Teilnehmer dem Druck des normalen Arbeitslebens nicht stand. „Sie haben nicht gelernt, Verantwortung zu übernehmen, und haben Angst zu versagen. In unserer Werkstatt steht ihnen offen, wann und wie lange sie arbeiten“, so Slavoudis. Für viele sei es aber nicht nur ihre Arbeit, sondern auch Heimat. „Sie bekommen das wichtige Gefühl gebraucht zu werden“, erklärt Collmar.