Foto: dpa/Mirja Geh

Schon im vergangenen Jahr haben zahlreiche alpine Top-Skirennläufer ihre Karriere beendet. Nun sagt auch noch die österreichische Olympiasiegerin Anna Veith Servus – und es bleibt die Frage: Was macht das alles mit dieser Sportart?

Stuttgart - Zum Ende ihrer Karriere zeigt sich Anna Veith noch einmal mit all ihren Errungenschaften – und bietet damit ein beeindruckendes Bild: Die Österreicherin, umgeben von einer olympischen Goldmedaille, zwei großen Kristallkugeln für den Gewinn des Gesamtweltcups, drei WM-Goldmedaillen und noch der einen oder anderen Trophäe mehr. Und doch ist da auch ein kleiner, bitterer Moment, an den sich die fast 31-Jährige nun, da sie ihre Karriere offiziell beendet hat, zurückerinnert.

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„Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich dieser einen Hundertstelsekunde nie nachgetrauert habe“, sagt Anna Veith – und denkt dabei an den Februar 2018. „Ein Wahnsinn“, sei es für sie zwar schon allein gewesen, bei den Olympischen Spielen von Pyeongchang um vordere Plätze kämpfen zu können. Schließlich hatte sie sich in den Monaten zuvor von einem Riss der Patellasehne erholt. Aber dann . . .

Viel Lob zum Abschied

Anna Veith gelang im Super-G ein traumhafter Lauf, sie führte, alle Favoritinnen waren schon im Ziel und hinter ihr geblieben. Die Österreicherin gab bereits Siegerinterviews – und wurde dann doch noch aus ihren Träumen gerissen. Die Tschechin Ester Ledecka, die parallel zur Skikarriere auch im Snowboard Weltspitze ist, entriss Veith noch das sicher geglaubte Gold. Mit einem Vorsprung von eben dieser einen Hundertstelsekunde. „Bei so knappen Entscheidungen fragt man sich manchmal, wieso passieren die“, sinniert Anna Veith nun – ruft sich dann aber schnell zur Ordnung: „In diesen Momenten muss ich mich mahnen.“

Die Karriere der 30-Jährigen, die unter deren Mädchenname Fenninger begann, ist schließlich keine Laufbahn der verpassten Chancen. Im Gegenteil. Als „eine der Erfolgreichsten aller Zeiten“, rühmt sie der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen. „Allergrößte Wertschätzung und Hochachtung“ sendet Marcel Hirscher und Veiths langjährige Konkurrentin Lara Gut-Behrami blickt über das Sportliche hinaus: „Du bis ein unglaublicher Mensch.“ Der nun abseits der Pisten Fuß fassen möchte.

„Zuhause Wurzeln schlagen“

„Mein Herz und mein Kopf sagen mir, dass es Zeit ist, etwas anderes zu tun“, sagt Anna Veith, „es ist Zeit, dass ich zuhause Wurzeln schlagen kann.“ Seit 2016 ist sie mit dem früheren Snowboarder Manuel Veith verheiratet, über den Kinderwunsch hat sie bereits sinniert. Die Nachwuchsfrage stellt sich aber auch in jenem Lebensraum, den Österreichs Liebling nun verlässt.

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„Im ersten Moment tut es weh, wenn man solche Namen zurücktreten hört“, sagt sie selbst – und spricht vielen Skifans aus der Seele. Nimmt man 2019 und 2020 zusammen, haben allein sechs alpine Olympiasieger ihre Karriere beendet. Im vergangenen Jahr waren das Marcel Hirscher (Österreich), Aksel Lund Svindal (Norwegen), Lindsey Vonn (USA) und Frida Hansdotter (Schweden). Nun ergänzen Anna Veith und André Myhrer (Schweden) die Liste.

Zudem beendeten nach dem Winter 2019/2020 Tina Weirather (Liechtenstein), Nina Haver-Loeseth (Norwegen), Nadia und Elena Fanchini (Italien) sowie Fritz Dopfer (Deutschland) ihre Laufbahn. Aus deutscher Sicht kommen noch Christian Ackermann (geborene Geiger), Veronique Hronek, Benedikt Staubitzer, Klaus Brandner sowie Dominik Stehle hinzu. Und Felix Neureuther hatte schon 2019 aufgehört.

Mikaela Shiffrin hat an Dominanz eingebüßt

Der Aderlass an Stars ist groß – was schon manche Sportart viel Interesse gekostet hat. Zumal der vergangene Winter gezeigt hat, dass es gar nicht so einfach ist, Neues zu etablieren.

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Abfahrer Thomas Dreßen ist aus deutscher Sicht der einzige Topmann. In das Duell um den Gesamtweltcup zwischen Henrik Kristoffersen (Norwegen) und Alexis Pinturault (Frankreich) funkte als Profiteur des vorzeitigen Saisonabbruchs Aleksander Aamodt Kilde (Norwegen). Den Zweikampf der Abfahrtsgiganten beendete der Kreuzbandriss des Italieners Dominik Paris. Und ausgerechnet die Dominatorin Mikaela Shiffrin (USA) verlor ihre Aura der Unbesiegbarkeit in jenem Jahr, die dem ihre Unantastbarkeit eigentlich noch größer hätte sein sollen – erst durch eine Formschwäche, dann durch ein tragisches vorzeitiges Saisonende. Shiffrins Vater starb völlig überraschend bei einem Unfall. Den Gesamtweltcup gewann die Italienerin Federica Brignone. Manch hoch gehandelter Shootingstar hat zudem noch nicht vollends überzeugt.

Die Neusortierung im alpinen Skizirkus braucht also mindestens einen weiteren Winter Zeit – wenn der Weltcup überhaupt in gewohnter Manier Ende Oktober beginnen kann. Anna Veith sagt: „Es gibt sehr viele interessante Charaktere, an der Spitze sind sehr interessante Persönlichkeiten da.“ Sie selbst gehört ab sofort nicht mehr dazu.