Uli Hoeneß, der Präsident des FC Bayern München, weiß so ziemlich alles – und vieles sogar besser. Foto: Getty/Alexander Hassenstein

Wer ist die Nummer eins im deutschen Fußball-Tor? Manuel Neuer oder Marc-André ter Stegen? Uli Hoeneß, der Präsident des FC Bayern, ärgert sich über mangelnden Rückhalt für seinen Angestellten Neuer. Deutschland hat aber überhaupt kein Torhüter-Problem – nur eines mit einem polternden Uli Hoeneß, findet unser Sportredakteur Marco Seliger.

Stuttgart - Ach, wie schön! Uli Hoeneß ledert mit hochrotem Kopf im Bauch der Münchner Arena los – nicht mehr oft bekommt die Fußballnation dieses Schauspiel noch zu sehen, bald tritt der Patron des FC Bayern von seinen Ämtern zurück. Nun aber war nochmal Polterabend beim FC Bayern – und das Alphatier Hoeneß ließ es wie gewohnt scheppern. Es warf sich im aktuellen Fall mit aller Wucht vor seinen Rudelführer, den Kapitän Manuel Neuer.

Der wird ja sportlich und mehr oder weniger verbal attackiert von seinem Herausforderer im Nationalteam. Marc-André ter Stegen meldet qua eigener Weltklasseleistungen Ansprüche an und beschwert sich über zu wenig Einsatzzeit – und der Bundestrainer stärkt Neuer danach eher nicht den Rücken, sondern schwadroniert mit Wischiwaschi-Aussagen („Wir können Marcs Enttäuschung verstehen“) irgendwo im Nirgendwo herum und positioniert sich nicht, sodass keinem der Konkurrenten geholfen ist.

Uli Hoeneß lässt viele Fakten außer acht

Nun also kam der Auftritt von Uli Hoeneß. Der Tenor, es sei eine Unverschämtheit von ter Stegen, öffentlich Ansprüche anzumelden, und ein Unding von Joachim Löw, seine Nummer eins Neuer nicht zu stärken, kann man durch die knallrote Bayern-Brille noch so sehen. Dass Hoeneß aber die von ihm so genannte süddeutsche Presse attackiert, weil die sich im Gegensatz zur von ihm so genannten westdeutschen Presse (laut Hoeneß klar pro ter Stegen!) nicht für Neuer einsetze – diese Polterei ist auf dem Niveau der legendären Pressevernichtungskonferenz im Oktober 2018 („Die Würde des Menschen ist unantastbar“, „Bernat spielt einen Scheißdreck“). Sie ist hochnotpeinlich.

Blickt man im Gegensatz zu Hoeneß nüchtern auf die Fakten, lässt sich Folgendes festhalten im Kampf um die deutsche Nummer eins – Punkt eins: Der Über-Über-Torwart ter Stegen hat das Pech, einen Über-Über-Über Torwart wie Neuer vor der Nase zu haben. Punkt zwei: Wenn Neuer sein derzeitiges Niveau hält, gibt es keinen Grund, ihn aus dem Tor zu nehmen – anders als vielleicht noch in den Wochen vor der WM 2018, als er nach langer Verletzungspause nicht fit war und frühzeitig eine Einsatzgarantie des Bundestrainers bekam. Punkt drei: Wenn Neuer vor der EM schwächelt und ter Stegen sein Niveau hält, muss der Keeper des FC Barcelona ins Tor. Punkt vier: Sollte Neuer, wie zu hören ist, in Erwägung ziehen, nach der EM 2020 im DFB-Team aufzuhören, könnte ter Stegens Zeit im Nationalteam erst so richtig beginnen.

Fakt ist: Bei der EM 2020 hat Deutschland einen Weltklassemann zwischen den Pfosten. Aber vielleicht, bei schlechter Moderation des Bundestrainers, eine leidige Torhüter-Diskussion an der Backe.