Messstation am Stuttgarter Neckartor: Die Werte werden immer besser Foto: dpa

Das ging schnell: Binnen Jahresfrist ist die Belastung der Luft am Neckartor deutlich zurückgegangen. Stuttgarts OB Fritz Kuhn will die Verbesserungen nutzen, um den angeschlagenen Ruf der Stadt zu verbessern – sobald alle Grenzwerte eingehalten werden.

Stuttgart - Stuttgarts OB Fritz Kuhn (Grüne) sieht die deutliche Verbesserung der Luftqualität am Stuttgarter Neckartor als Erfolg der städtischen Politik. „Die Stadt hat enorm viele Schritte unternommen, um die Schadstoffwerte zu verringern“, sagte Kuhn unserer Zeitung. Mit der Verringerung der Stickoxid- und Feinstaubbelastung sei ein „Riesenschritt“ gelungen, zu dem viele einzelne Maßnahmen beigetragen hätten – darunter die Steigerung der Fahrgastzahl im öffentlichen Nahverkehr, mit der man bundesweit an der Spitze liege, und auch das Wegkehren von Feinstaub, das die Belastung an mehreren Tagen unter den Grenzwert gebracht dürfte.

Kuhn kündigte an, die Verbesserungen zu einem späteren Zeitpunkt öffentlichkeitswirksam zu vermarkten, um den Ruf der Stadt zu verbessern, der gegenwärtig durch die hohen Stickoxid- und Feinstaubwerte am Neckartor belastet ist. „Ich freue mich auf den Tag, an dem wir alle Grenzwerte einhalten“, sagte der Rathaus-Chef. „Dann wird es eine ungeheuer gute Vermarktung geben.“ Gegenwärtig sei es für eine solche Vermarktung noch zu früh, da noch immer Grenzwerte überschritten würden.

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Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Stunden, in denen der entsprechende Grenzwert für den Stickstoffdioxidgehalt überschritten wurde, von 35 auf 3 gefallen. Dieser Wert liegt deutlich unter den 18 Stunden, die durch die EU erlaubt werden. Bei der Feinstaubbelastung und beim sogenannten Jahresmittelwert für Stickstoffdioxid gab es eine deutliche Annäherung an den Grenzwert, der aber weiter überschritten wurde.

Ein Sprecher des baden-württembergischen Verkehrsministeriums sagte, die Verbesserungen gingen auch auf die Diskussion um Fahrverbote zurück. Diese habe den Austausch alter gegen neue Autos beschleunigt. Er wies die Kritik der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart an den Grundlagen des Luftreinhalteplans für Stuttgart zurück. Die Kammer hatte unserer Zeitung erklärt, angesichts der stark gesunkenen Luftbelastung sei das sogenannte Wirkungsgutachten, das die Effekte verschiedener Eingriffe abschätzt, überholt und müsse neu erstellt werden. Der Sprecher sagte dazu, der abnehmende Trend sei in dem Gutachten bereits berücksichtigt, so dass es nach wie vor aktuell sei. Er räumte allerdings ein, dass die Verbesserung schneller eingetreten sei als von den zuständigen Experten im Ministerium erwartet.

Land hofft auf Entscheidung für Blaue Plakette

Trotz der Verbesserung hält das Land die Entscheidung, gegen das Fahrverbots-Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart lediglich Revision einzulegen und nicht in Berufung zu gehen, für richtig. Nach der Entscheidung des Stuttgarter Richters, der dem Land nur die Möglichkeit von Diesel-Fahrverboten ließ, war es in der Landesregierung zu einer heftigen Diskussion gekommen. Bei der von der CDU favorisierten Berufung hätten die Richter eine neue Beweisaufnahme vornehmen müssen, so dass die neuen, besseren Werte in die Entscheidung eingegangen wären. Bei der sogenannten Sprungrevision beim Bundesverwaltungsgericht dagegen wird lediglich das Urteil selbst überprüft, nicht jedoch die dem Richterspruch zugrundeliegenden Tatsachenfeststellungen, etwa über die Höhe der Schadstoffwerte.

Eine schnelle Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht eröffne die Chance, dass die Frage einer Blauen Plakette bereits in Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene einfließe, sagte der Sprecher. Das Land hält eine Blaue Plakette für geboten, die Diesel- und auch Benzinautos benötigen, um in belastete Zonen einfahren zu dürfen; und das Gericht dürfte auch eine Entscheidung darüber treffen, ob die Länder eine bundesweite Blaue Plakette benötigen, um überhaupt Zonen mit Fahrverboten ausweisen zu können. Der inzwischen abgetretene Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hatte die Plakette aber stets abgelehnt – er wollte nicht derjenige sein, der Umweltpolitikern die Instrumente für Fahrverbote liefert. Je mehr alte Fahrzeuge aber ausgemustert werden, desto weniger Autos wären von Verboten betroffen – und desto leichter wäre die Plakette wohl auch durch die Unionsparteien zu akzeptieren.