Schwerpunkt des Welttags der Meere ist in diesem Jahr jedoch die Verschmutzung der Meere mit Plastikmüll. Foto: Mauritius

Der „Welttag der Meere“ weist auf die Gefahren hin, denen die Ozeane durch Klimawandel, Verschmutzung und Überfischung ausgesetzt sind.

Ottawa - Wir sprechen vom Atlantischen, vom Pazifischen und Arktischen Ozean, aber eigentlich gibt es nur ein Weltmeer. Alle Ozeane sind miteinander verbunden“, sagt Boris Worm. Der aus Deutschland stammende Meeresökologe ist Professor an der Dalhousie-Universität im kanadischen Halifax. „Der ganze Weltozean ist von dramatischen Veränderungen betroffen.“ Fischfang, über Jahrtausende auf Küsten und Flussmündungen konzentriert, wird nun weltweit und bis in die Tiefsee betrieben. Schleppnetze fangen am Meeresgrund lebende Fische, zerstören Korallen und Schwämme. An den Küsten expandieren Aquakulturen, Gas- oder Ölförderung und Schifffahrt. Begierig blicken viele auf die im Meer liegenden Rohstoffe für den Tiefseebergbau.

„Der Ozean ist unverzichtbar für Leben auf der Erde“, stellt das „International Programme on the State of the Ocean“ (IPSO) fest. Der Ozean liefert Lebensmittel für mehr als drei Milliarden Menschen, er erzeugt etwa die Hälfte des Sauerstoffs, den die Lebewesen verbrauchen, und er absorbiert etwa ein Viertel der von Menschen verursachten Kohlendioxidemissionen, machen das IPSO und der Weltklimarat (IPCC) deutlich. Das IPSO mahnt, dass die Ressourcen an Land angesichts des möglichen Anstiegs der Weltbevölkerung auf zwölf Milliarden Menschen bis 2100 nicht reichen werden, um den Bedarf an Lebensmitteln und Energie zu decken.

Das Meer reguliert das Klima auf der Erde

„Die Ozeane sind unerlässlich für den Wärmehaushalt des Globus und die Regulation des Klimasystems. Sie nehmen über 90 Prozent der Wärme auf, die sich derzeit auf der Erde anstaut. Dadurch gleichen sie die Temperaturen in der Atmosphäre aus und stabilisieren das Klima. Durch die Meeresströmungen transportieren sie diese Wärme und beeinflussen so die Klimaprozesse auf den Kontinenten“, sagt Hans-Otto Pörtner vom Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven (AWI). Er ist einer der koordinierenden Autoren des Ozeankapitels im Bericht des Weltklimarats aus dem Jahr 2014.

Der Klimawandel verändert physikalische, chemische und biologische Prozesse im Meer. Diese Änderungen betreffen Salzgehalt, Wasserzirkulation, Temperatur, Kohlendioxid- und Sauerstoffgehalt, Nährstoffe und Licht. Dies wirkt sich wiederum auf Lebewesen und Ökosysteme aus. Die Arktis erlebt einen drastischen Schwund von Meereis, Eisschelfe im nördlichen und südlichen Polarmeer sind verschwunden oder drohen zu zerbrechen. Kleine Inselstaaten müssen den Anstieg des Wasserspiegels und den Verlust von Küstengebieten befürchten. Fischbestände verlagern ihren Lebensraum. Forscher beobachten Wanderungsbewegungen in Richtung der Pole zu vormals kühleren Gewässern. Der Artenreichtum in mittleren und höheren Breiten wird vermutlich zunehmen, in tropischen Gewässern dagegen abnehmen. Dies könnte die Nahrungssicherheit beeinträchtigen, meint das IPCC.

Wissenschaftler stellen einen Trend zur Erwärmung in vielen marinen Ökosystemen fest, vor allem in der oberen Wasserschicht. Ein geringerer Austausch an Gasen und Nährstoffen zwischen den Wasserschichten und die Bildung von Zonen mit Sauerstoffmangel können die Folge sein. „Diese Sauerstoffmangelzonen in mittleren Meerestiefen sind in niedrigen Breiten schon immer natürlicher Bestandteil der Meere gewesen, breiten sich aber mit zunehmender Erwärmung aus. Hinzu kommen zunehmend Sauerstoffmangelzonen an den Küsten. Erwärmung und Nährstoffeintrag durch den Menschen sind hier auslösende Faktoren“, meint Pörtner. Je mehr CO2 in die Meere eindringt, desto mehr Kohlensäure bildet sich, der Ozean versauert. Organismen mit Kalkschalen und Skeletten wie Korallen und Muscheln leiden darunter am stärksten. Korallenriffe sind bedroht, Fischbestände verändern sich.

Forscher fordern in der Fischerei ein besseres Management

Die Überfischung ist ein Forschungsschwerpunkt von Boris Worm. Seit Jahren warnt er, dass durch Klimaveränderungen, Verschmutzung und Überfischung viele Bestände von Fischen und Meeresfrüchten zusammenbrechen können. Darunter litten die Produktivität und Stabilität des ganzen Ökosystems. Er fordert ein besseres Management von Fischbeständen und Fischereimethoden, die Beifang vermeiden und die Tiefsee nicht zerstören, sowie die Einrichtung von Meeresschutzgebieten.

Schwerpunkt des Welttags der Meere ist in diesem Jahr jedoch die Verschmutzung der Meere mit Plastikmüll. Eine weltweite Kampagne soll bis 2022 die wichtigsten Quellen von Meeresmüll beseitigen: Mikroplastik in Kosmetika und den „exzessiven, verschwenderischen Verbrauch“ von Plastik, das nur einmal verwendet wird. „Plastikmüll landet an den Stränden Indonesiens, lagert sich am Meeresboden am Nordpol ab und gelangt durch die Nahrungskette bis auf unsere Teller“, sagt Erik Solheim, Chef des UN-Umweltprogramms UNEP.

Im Jahr 2050 werden die Meere mehr Fisch als Plastik enthalten

Fische und Meeressäugetiere verfangen sich in Müll, sie werden stranguliert oder gehen elend zugrunde, wenn sie Müll verschlucken. Nach UN-Angaben landen jährlich mehr als acht Millionen Tonnen Plastik in den Ozeanen und verursachen Schäden an marinen Ökosystemen von acht Milliarden Dollar. Bis zu 80 Prozent des Mülls in den Ozeanen bestehen aus Plastik. Setzt sich die Verschmutzung der Meere durch Plastik im bisherigen Maße fort, dann werden die Ozeane im Jahr 2050 mehr Plastik als Fisch enthalten und schätzungsweise 99 Prozent der Meeresvögel werden Plastik geschluckt haben, berichtet UNEP.

„Wir haben vor Jahren die Verwendung von Pestiziden wie DDT gestoppt, die die Vögel bedroht haben. Wir sind an einem ähnlichen Wendepunkt“, sagt Meeresbiologe Boris Worm. Hunderte Arten sind nach den letzten veröffentlichten Zählungen durch Plastik und Mikrofasern, die sich im Gewebe von Fischen und Meeressäugetieren festsetzen, bedroht. Weltweit werde in jedem Jahr so viel Plastik produziert wie das Gewicht aller Menschen zusammen – über 300 Millionen Tonnen mit steigender Tendenz. „Die Botschaft an diesem Welttag der Meere muss lauten: Jeder Einzelne muss helfen, diese Verschmutzungskrise zu beenden – die Produzenten, der Vertrieb, die Entscheidungsträger in der Politik und die Verbraucher. Wir müssen die Plastikflut in unseren Ozeanen stoppen.“