Schüler einer „Fridays for Future“-Klimademonstration in Rom spielen mit einem aufblasbaren Erdball. Foto: dpa

Der Erdboden ist eines der wertvollsten Vermögen der Menschheit, sagt die Chefin des UN-Umweltprogramms. Doch wird mit den Landflächen nachhaltig genug umgegangen? Der Weltklimareport geht dieser Frage nach.

Genf/Stuttgart - Mit einer Mahnung zum Schutz der Landflächen hat in Genf die politische Debatte des Weltklimarats IPCC zu einem neuen Report begonnen. Nach Aussage von Inger Andersen, Geschäftsführerin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep), ist „die Erde unter unseren Füßen eines der wertvollsten Vermögen der Menschheit“.

Zu einer Zeit, in der es sich die Menschheit am wenigsten erlauben könnte, verliere sie fruchtbaren Boden und biologische Vielfalt in einem alarmierenden Tempo, so Andersen. „Wir müssen die Nutzung unserer Landflächen an den Klimawandel anpassen, damit wir die Nahrungsmittelproduktion für die heutige und für zukünftige Generationen sicherstellen können.“

Klimawandel – Bedrohung für die Welternährung

Seit Freitag (2. August) tagt der Weltklimarat in Genf und berät den IPCC-Sonderbericht zur Nutzung von Landflächen unter dem Einfluss des Klimawandels. Er soll am Donnerstag (8. August) präsentiert werden. In den sieben Kapiteln des Reports werden unter anderem die Versteppung, die Einflüsse von Treibhausgasen und ein nachhaltiges Landmanagement thematisiert. Am IPCC-Bericht beteiligt sind Wissenschaftler aus mehr als 30 Ländern weltweit.

„In der Sache dürfte das Ergebnis der Genfer IPCC-Konferenz in jedem Fall betonen, dass Dürren, Hitzewellen, Überschwemmungen oder die Versalzung von Böden infolge des Klimawandels für das Welternährungssystem eine erhebliche Bedrohung darstellen“, erklärt Jan Kowalzig von der Hilfsorganisation Oxfam.

Der WWF betont, dass vor allem ein hoher Fleischkonsum den Klimawandel weiter befeuern werde. „Fleisch zählt zu den größten Klimakillern, dennoch lehnt sich die Politik hier zurück und wälzt das Problem auf die Konsumentinnen und Konsumenten ab“, sagt Helene Glatter-Götz von WWF Österreich.

Globale Ernährungskrise – die Gründe

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen Fao (Food and Agriculture Organization of the United Nations) mit Sitz in Rom befürchtet politische Instabilität in den ärmsten Staaten, die von Versorgungsengpässen besonders hart betroffen sind. Doch was sind die Gründe für diese weltweite Ernährungskrise?

Bodenzerstörung

Der FAO zufolge könnten bei optimaler Ausnutzung aller Ressourcen schon heute bis zu zehn Milliarden Menschen ausreichend zu essen bekommen. Tatsache ist: Fast eine Milliarde Menschen hungern. Indien, das zu den größten Getreideexporteuren der Welt gehört, ist auch das Land mit den meisten Armen – mehr als 800 Millionen. Um den wachsenden Bedarf zu decken, müsste die Nahrungsmittelproduktion bis 2050 um 70 Prozent wachsen.

Agrarproduktion

Um den wachsenden Bedarf zu decken, müsste die Nahrungsmittelproduktion bis 2050 um 70 Prozent wachsen. In den Entwicklungsländern ist wegen des stärkeren Bevölkerungswachstums sogar eine Verdopplung nötig. Tatsächlich geht immer mehr Ackerland durch Verstädterung, Raubbau, Industrialisierung, Versteppung, Versalzung und Bodenerosion verloren.

Dank der grünen Revolution stieg die globale Nahrungsmittelproduktion zwischen 1965 und 1997 um 60 Prozent. Dies war das Ergebnis der Entwicklung moderner landwirtschaftlicher Hochleistungs- und Hochertragssorten, die erfolgreich in den Entwicklungsländern verbreitet wurden. Seitdem ist es mit dem Wachstum vorbei. Auch die Gentechnik dürfte nur ein Teil der Lösung sein, um die Krise zu entschärfen.

Klimawandel

Sollten sich klimabedingte Missernten häufen, kann dies zu gigantischen Ernteausfällen führen, die globale Folgen haben. Gerade die Länder der südlichen Erdhalbkugel müssen aufgrund der Klimaerwärmung mit einer Zunahme extremer Wetterereignisse und in der Folge geringeren Ernten sowie höheren Ausgaben für Nahrungsmittelimporte rechnen.

Nahrungsgewohnheiten

Die FAO rechnet bis 2050 mit fast einer Verdoppelung der weltweiten Fleischproduktion von derzeit rund 250 auf mehr als 460 Millionen Tonnen. Vor allem Schwellenländer wie China heizen die Nachfrage nach hochwertigen Nahrungsmitteln an. Der Pro-Kopf-Fleischverbrauch ist dort seit 1980 von 20 auf 62 Kilogramm pro Jahr gestiegen (Deutschland: 60 Kilogramm). Heute werden Rinder, Schweine und Hühner häufig mit Getreide gefüttert. Während mehr als ein Drittel der weltweiten Getreideernte für die Mast verwendet wird, nagen Millionen Menschen am Hungertuch.

Transportkosten

Die schwindenden Erdöl-Reserven schlagen sich in steigenden Öl- und Benzinpreisen nieder. Das wiederum treibt die Kosten für die Produktion und den Transport von Lebensmitteln in die Höhe. Die Landwirte müssen mehr für den Diesel ihrer Traktoren und Mähdrescher sowie für den Dünger bezahlen. Die gestiegenen Produktions- und Transportkosten verteuern wiederum die Nahrung in den armen Ländern, die aufgrund einer verfehlten Agrarpolitik vielerorts weitgehend auf Importe angewiesen sind.

Exportabhängigkeit

Cash-Crops nennt man Grundnahrungsmittel und Feldfrüchte in Entwicklungsländern, die fast ausschließlich für den Export angebaut werden. Statt die Eigenversorgung der Bevölkerung durch Food-Crops – also Grundnahrungsmittel, die zur lokalen Selbstversorgung produziert werden – zu fördern, setzen viele Staaten auf Exportprodukte wie Bananen, Kaffee und Kakao, die auf riesigen Plantagen angebaut werden. Sie bringen zwar Devisen, führen aber gleichzeitig zu einer großen Abhängigkeit von Weltmarktpreisen und Lebensmittelimporten.

Misswirtschaft

In vielen Ländern Afrikas, Lateinamerikas und Asiens ist Misswirtschaft ein massiver Preistreiber. Unfähige Regierungen, die nur in die eigene Tasche wirtschaften, Korruption, Schlamperei, fehlende Logistik und schlechte Infrastruktur sind in Afrika dafür verantwortlich, dass rund 30 Prozent der Getreideernte verrotten.

Landnahme

Laut Welthungerhilfe müsste bis 2030 die heute verfügbare landwirtschaftliche Fläche von rund 4,9 Milliarden Hektar um mehr als 50 Millionen Hektar wachsen, um die ausreichende Versorgung der Weltbevölkerung sicherzustellen. Diese gewaltige Fläche kann aber nur zur Hälfte durch ungenutzte landwirtschaftliche Areale und optimierte Produktionsbedingungen gedeckt werden.

In den letzten Jahren ist zudem das Land Grabbing (zu Deutsch: Landnahme) in Mode gekommen. Staaten und private Investoren kaufen oder pachten riesige Agrarflächen in Entwicklungsländern, wo sie Nahrungsmittel und Energiepflanzen für den Export und die Versorgung der eigenen Bevölkerung anbauen.

Biosprit

Nach FAO-Schätzungen könnte die weltweite Ethanol-Produktion bis zum Ende des Jahrzehnts um 60 Prozent auf 160 Milliarden Liter steigen. Der Ausbau der Biosprit-Produktion verschärft die Ernährungskrise drastisch. Immer weniger Ackerland steht für den Anbau von Grundnahrungsmitteln zur Verfügung, weil Palmöl in Indonesien, Zuckerrohr in Brasilien oder Mais in den USA zu Treibstoff für Autotanks verarbeitet wird. Benzin statt Brot.