Die Computersimulation zeigt den Einschlag eines Projektils namens Dart (Double Asteroid Redirection Test) auf einen Asteroiden. Im Rahmen des Asteroid Impact & Deflection Assessment (Aida – englisch für „Asteroiden Einschlag & Ablenkungs Bewertung“) prüfen die Nasa und Esa gemeinsam, ob die Bahn eines Asteroiden durch den Einschlag einer Raumsonde geändert werden kann. Foto: Esa/AFP

Ein 50 Meter großer Brocken aus dem Weltall ist in Richtung Erde unterwegs. Laut Wissenschaftlern wird er den blauen Planeten aber verfehlen. Wiederholt haben Asteroiden die Erde getroffen – teils mit verheerenden Folgen.

Darmstadt - Die drohende Gefahr eines Asteroideneinschlags auf der Erde mit einer Sprengkraft von rund 100 Hiroshima-Bomben ist gebannt. Der bis zu 50 Meter große Brocken 2006QV89 wird unseren Planeten verfehlen, sagte der Leiter des Büros für Planetenschutz im Satellitenkontrollzentrum der Europäischen Raumfahrtagentur Esa in Darmstadt, Rüdiger Jehn.

Mit einem Teleskop in Chile sei Anfang Juli ein möglicher Punkt seiner Laufbahn beobachtet worden. Wäre er dort aufgetaucht, wäre der Asteroid mit der Erde kollidiert. Von 2006QV89 war nichts zu sehen. Er könnte sich möglicherweise im September 2023 noch einmal der Erde nähern.

Chance für Kollision: eins zu 7299

Der Brocken hätte im September die Erde treffen können. Die Chance für eine Kollision lag laut Risikoliste der Esa bei eins zu 7299. Zum Vergleich: Für einen Lottogewinn mit sechs Richtigen plus Zusatzzahl liegt die Chance bei eins zu 140 Millionen.

Im Satellitenkontrollzentrum der Europäischen Raumfahrtagentur in Darmstadt werden derzeit knapp 870 Objekten gelistet, die möglicherweise die Erde in den nächsten hundert Jahren treffen könnten. 2006QV89 wird Jehn zufolge in Sichtweise an unserem Planeten vorbeifliegen.

In die Atmosphäre eintauchende und explodierende Himmelskörper können schon mit einem Durchmesser von 20 Metern massive Zerstörung verursachen. „Die Druckwellen werden mit den gleichen Sensoren ermittelt wie bei Atomwaffentests“, erklärt der Chef des von Darmstadt aus operierenden Esa-Büros für Planetenschutz, Holger Karg. Da werde ein Vielfaches an Energie einer Hiroshima-Bombe frei.

2013: Einschlag in Tscheljabinsk

Gesteinsbrocken aus dem All in dieser Größenordnung können immense Schäden anrichten. Vor sechs Jahren richtete die Explosion eines Asteroiden dieser Größe in der russischen Millionenstadt Tscheljabinsk Verwüstungen an. Mit einem ohrenbetäubendem Knall raste eine Druckwelle über das Land. Die Explosion des 16 000-Tonnen-Brockens verletzte am 15. Februar 2013 etwa 1500 Menschen – meist durch geborstene Scheiben. An Tausenden Gebäuden entstanden Schäden.. Eine Vorwarnung gab es damals nicht.1908: Katastrophe in Sibirien

Gut 100 Jahre zuvor hatte es schon einmal Russland getroffen. In der einsamen Tunguska-Region in Sibirien gab es einen Feuerball und dann die Explosion eines 40-Meter-Asteroiden. Die Naturkatastrophe am 30. Juni 1908 fegte Millionen Bäume auf einer Fläche fast so groß wie das Saarland weg.

Aufgrund dieses Ereignisses riefen die Vereinten Nationen 2016 den 30. Juni zum Internationalen Asteroidentag aus.

Im Moment droht kein Crash-Szenario

Bei den Objekten bis 100 Meter Durchmesser gehen Schätzungen von rund 40 000 Brocken aus, von denen nach Esa-Angaben erst rund 20 Prozent entdeckt wurden. Bei geschätzten rund 1000 Asteroiden ab einer Größe von einem Kilometer ist den Weltraumforschern weniger bange beim Aufspüren. „Da haben wir eigentlich schon 95 Prozent entdeckt“, betont Jehn. Im Moment drohe da kein Crash-Szenario.

„Es ist unsere Aufgabe, die Menschen zu schützen“, so der Esa-Experte. Um den Himmel besser scannen zu können, will die Esa in naher Zukunft spezielle Teleskope auf Sizilien und später in Chile aufbauen. Kosten: 20 Millionen Euro pro Stück. Jehn: „Bei einem Objekt von 20 Metern Größe können wir dann eine Woche oder zehn Tage vorher vorwarnen.“

Himmelskörper auf Kollisionskurs

Als Asteroiden bezeichnen Weltraumexperten astronomische Kleinkörper mit einem Durchmesser ab einem Meter, die die Sonne umrunden. Und die gibt es reichlich. „Ein-Meter-Objekte treffen uns regelmäßig, das kommt mehrfach im Jahr vor“, sagt Jehn.

Große Asteroiden, die auch mal zehn Kilometer Durchmesser erreichen, werden als „Global killer“ („globale Zerstörer“) bezeichnet, Der Asteroid, der vor rund 65 Millionen Jahren den Dinosauriern den Garaus machte, war so einer. Alle 100 Millionen Jahre etwa tritt im Durchschnitt ein solch zerstörerisches Ereignis auf.

Aber die Weltraumexperten sollen nicht nur warnen, sondern auch schützen. Sollte ein solcher Brocken in seiner Flugbahn wieder Kurs auf die Erde nehmen, gibt es für die europäische Weltraumagentur ESA nur zwei Möglichkeiten: ablenken oder zerstören.

So könnte eine Asteroiden-Abwehr aussehen

Es gibt einige Vorschläge, von Sonnenspiegeln bis zu Wasserstoffbomben. Technisch oder finanziell umsetzbar sind die meisten davon allerdings nicht. Für die größeren Brocken setzen Experten auf den sogenannten kinetischen Impakt: Objekte mit großer Masse und höchstmöglicher Geschwindigkeit sollen den Asteroiden rammen und vom Kurs abbringen.

Auch Raketen – also der Einsatz von Einschlagprojektilen zur Bahnablenkung – sind eine Option. So will die US-Raumfahrtbehörde Nasa laut Jehn 2022 eine Rakete auf einen Asteroiden schießen und prüfen, wie stark er durch den Einschlag abgelenkt wird. Atomsprengköpfe seien bei der Esa nicht geplant, sagt Jehn, dies könne aber für die Amerikaner durchaus eine Option sein.

„Irgendwo in den Weiten des Sonnensystems gibt es Kleinplaneten, die früher oder später mit der Erde kollidieren werden“, sagt Sven Melchert von der Vereinigung der Sternfreunde im südhessischen Heppenheim. Das Problem seien nicht die kleinen Asteroiden, sondern globale Killer. Ob diese dann wie im Science-Fiction-Film „Armaggedon“ aus dem Jahr 1998 abgewehrt werden könnten, stehe sprichwörtlich in den Sternen.

Was passiert bei einem Deep Impact?

Bei Asteroiden von bis zu 400 Metern Durchmesser müsste man sich vor allem vor gleichzeitig auftretenden Windstößen und Druckwellen schützen, haben Forscher herausgefunden. Das Team um Clemens Rumpf von der Universität Southampton in Großbritannien hatte 2017 untersucht, welcher Effekt eines einschlagenden Asteroiden – englisch: Deep Impact“ – auf der Erde die gravierendsten Folgen für die Menschen und damit die meisten Opfer hätte.

Die Studie im Journal „Geophysical Research Letters“ analysiert die Verteilung der möglichen Opfer nach sieben wahrscheinlich auftretenden Effekten: Tsunamis, fliegende Trümmer, Schockwellen, Hitze, Erdbeben, Winde und Kraterbildung.

Riesige Tsunamis

Bei Einschlägen ins Meer führen Tsunamis naturgemäß zu den meisten Opfern. Insgesamt gesehen gehe davon jedoch keine so große Gefahr aus wie von Einschlägen auf der Erde, schreiben die Wissenschaftler.

Besonders gefährlich seien bei letzteren atmosphärische Druckwellen, die sich mit Überschallgeschwindigkeit ausbreiten, und dabei entstehende starke Winde. Sie seien für über 60 Prozent der Todesopfer bei Einschlägen von Asteroiden bis 400 Metern Durchmesser verantwortlich.

Die Wellen, die durch den steigenden Druck in der Atmosphäre entstehen, und Windstöße, die die Druckunterschiede ausgleichen, könnten Menschen durch die Luft schleudern und Gebäude einstürzen lassen. Der Wind könne die Geschwindigkeit von Orkanen überschreiten.

Die Konsequenzen? Unvorstellbar

In ihrem Computermodell ließen die Forscher 50 000 Asteroiden mit 15 bis 400 Metern Durchmesser - die am wahrscheinlichsten auftretenden Größen – auf die Erde treffen. Die Ergebnisse könnten Krisenmanagern bei der Vorbereitung auf einen drohenden kosmischen Einschlag helfen, kommentiert Rumpf in seiner Studie. Bei kleineren Einschlägen könne die Bevölkerung Schutz etwa in Kellern suchen, bei größeren Asteroiden seien Evakuierungen unumgänglich.

Ein Asteroid mit rund 60 Metern Durchmesser trifft laut Rumpf im Schnitt etwa alle 1500 Jahre auf die Erde, ein rund 400 Meter großer alle 100 000 Jahre. „Die Wahrscheinlichkeit eines Asteroideneinschlags ist wirklich gering. Aber die Konsequenzen können unvorstellbar sein“, erklärt der Forscher.