Die frühere Weissacher Bürgermeisterin Ursula Kreutel will sich beim Deutschen Olympischen Sportbund ehrenamtlich engagieren. Foto: factum/Weise

Selbst im Ehrenamt holt Ursula Kreutel ihre Vergangenheit als Rathauschefin von Weissach ein. Die einstige Leistungssportlerin will sich im Deutschen Olympischen Sportbund engagieren. Vor ihrer Wahl gibt es kritische Stimmen von Delegierten.

Weissach - Gut ein Jahr ist es her, dass Ursula Kreutel (50) als Bürgermeisterin von Weissach (Kreis Böblingen) abgewählt wurde. Beruflich kümmert sich die Verwaltungsexpertin seither um Menschen, die unter amtlicher Betreuung stehen. Nun will sie sich auch ehrenamtlich wieder stärker engagieren: Beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), dem Dachverband von fast 90 000 Sportvereinen, möchte sich die einstige Leistungssportlerin für die Gleichstellung von Männern und Frauen einsetzen.

Wenn an diesem Freitag und Samstag in Nürnberg die sogenannte DOSB-Frauenvollversammlung tagt, steht Kreutel zur Wahl. Als Vertreterin der „nichtolympischen Spitzenverbände” kandidiert sie für die Sprecherinnengruppe. Die Gruppe unterstützt die für Frauen und Gleichstellung zuständige Vizepräsidentin. In ihrem Vorstellungsschreiben schildert Kreutel den Delegierten nicht nur ihren beruflichen Werdegang vom Sportamt in Stuttgart über die Ortsverwaltung in Leonberg-Höfingen bis zum Weissacher Rathaus, sondern auch ihre Beweggründe für die Bewerbung. Als Bürgermeisterin habe sie „unterschiedliche Modelle zur Gleichstellungsarbeit kennengelernt“, eigene entworfen und umgesetzt. Als alleinerziehende Mutter wiederum habe sie viel Förderung erfahren, zuweilen aber auch Unterstützung vermisst. Den Blick aus verschiedenen Perspektiven, ihre Erfahrungen in der Gremienarbeit und ihre Netzwerke wolle sie nun in die DOSB-Arbeit einbringen.

Lob vom Präsidenten

Wärmstens empfohlen wird Kreutel zudem von jenem Fachverband, in dem sie sich seit vielen Jahren engagiert: dem Deutschen Rasenkraftsport- und Tauziehverband (DRTV). Geradezu überschwänglich lobt dessen Präsident Gunter H. Fahrion aus Stuttgart seine für Frauenfragen zuständige Stellvertreterin. In einem Schreiben an die Delegierten würdigt er nicht nur ihre Pionierdienste für den Rasenkraftsport und ihre sportlichen Erfolge – vom Titel als Deutsche Meisterin im Diskuswerfen 1990 bis zu den jüngst errungenen Seniorentiteln. Auch sonst schwärmt er geradezu von der Kandidatin: Sie habe „auch auf beruflicher Ebene einiges vorzuweisen“ und wäre „ein Gewinn für den DOSB“.

Bei den Adressatinnen fand die Empfehlung eine gemischte Resonanz. Manchen erschien es eigenartig, dass sich ein Mann derart in die Wahl einmische: die Frauen wüssten schon selber, wenn sie küren wollten. Vor allem aber vermissten sie eine Information, die auch in Kreutels Schreiben nicht vorkam. Gegen die Kandidatin laufe offenkundig ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft; entsprechende Medienberichte machten schnell die Runde. Tenor der Reaktionen: Das hätte man schon gerne gewusst, vielleicht stehe es ihrer Wahl ja entgegen.

Verfahren ist noch anhängig

Kreutel wird von einem Vorgang eingeholt, der ihr schon als Bürgermeisterin reichlich Ärger bereitete: einem Dauerstreit mit ihrem einstigen Hauptamtsleiter, um dessen Rauswurf es reichlich rechtlichen Ärger gab. Wegen der dafür angefallenen Anwaltskosten von rund 100 000 Euro wurde gegen Kreutel 2013 Strafanzeige erstattet. Der Vorwurf im Kern: Es bestehe der Verdacht der Untreue, weil die Rathauschefin für die Ausgaben keine Beschlüsse des Gemeinderates eingeholt habe. Seit 2014 ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart. Das Verfahren sei noch anhängig, bestätigt eine Behördensprecherin.

Ursula Kreutel weiß zwar, das gegen sie noch ermittelt wird. Zum Stand des Verfahrens habe sie aber keine Informationen. „Ich selbst habe mir nichts vorzuwerfen und gehe deshalb davon aus, dass die mir lediglich aus der Presse bekannten Vorwürfe sich durch die Ermittlungen aufklären lassen”, teilte sie auf Anfrage mit. Im Übrigen gelte für sie der Grundsatz der Unschuldsvermutung. Auf diesen poche auch ihr Verband, dem die Ermittlungen gegen sie bekannt seien; diese änderten dort nichts am „Vertrauen in meine Person”.

Tatsächlich genügt für Ermittlungen ein Anfangsverdacht; was am Ende herauskommt, ist völlig offen. Doch in Delegiertenkreisen hätte man sich zumindest mehr Transparenz gewünscht. In Nürnberg, wurde bereits angekündigt, müsse sich Kreutel „auf kritische Fragen gefasst machen“.