Gut für einen Weinmoment: Anna-Lisa und Mona Wenzler Foto: Wein-Moment

Endlich bereit für den einen oder anderen stilvollen Schluck: Was in München oder Berlin längst Usus ist, hält nun langsam auch in Stuttgart Einzug – eine gute Auswahl an Weinbars und -adressen für jeden Anlass.

Stuttgart - Der geneigte Stuttgarter Weintrinker wird zweimal überlegen, ehe er nostalgietrunken die gute alte Zeit beschwört. Früher war nämlich nicht alles besser. Wer vor zehn, zwölf Jahren ein besonderes Glas Wein trinken wollte, ohne dafür gleich bei Vincent Klink Platz zu nehmen, der hatte es schwer. Zum Teil mag dieser Schlamassel ein Unterschlamassel des Imageproblems gewesen sein, das der deutsche Wein hatte. Mit rigorosem Umdenken durch Vorreiter wie Aldinger, mit ertragsreduziertem Qualitätsweinbau und mit einer neuen Generation von Winzern (etwa Leon Gold, die Zimmerles oder Moritz Haidle, allesamt aus dem Remstal) ging aber längst ein Ruck durch die Weinlandschaft. Und die Chancen auf ein außergewöhnliches Gläschen oder Fläschchen auch ohne Mehrgangmenü? Sind deutlich gestiegen – noch dazu für jeden Anlass.

Für Entdecker

Bernd Kreis muss in vielerlei Hinsicht als Stuttgarter Wegbereiter in Sachen guter Wein angesehen werden. Unvergessen ist sein flammendes Plädoyer nicht gegen den Trollinger an sich, sondern gegen den Trollinger als Massenware. Unschätzbar auch der Dienst, den er der Stadt mit seiner Weinhandlung in der Böheimstraße und seit einigen Jahren in der etwas verkleinerten Ausgabe am Schillerplatz erweist. Dort hat der Master-Sommelier eine stetig wechselnde Auswahl außergewöhnlicher Weißer, Roter und Schäumender aus Europa im Ausschank, bietet seinen Gästen gegen Korkgeld auch die Möglichkeit, jeden Schatz aus seinem ausufernden Sortiment im Ganzen zu vertilgen. Das ist anspruchsvoll, wird von seinem versierten Team aus Sommeliers, Winzern und Weinenthusiasten aber souverän gezähmt.

Für Flaneure

Sehr rasch konnten die beiden weinbegeisterten Gastronomen Olaf Sperling und Christian Kopp ihren Laden in der Calwer Straße etablieren. Durchaus ein wenig unstrukturiert schenken die beiden in unaufgeregtem, schickem Ambiente vorzugsweisen Weine aus, die ihnen selbst schmecken. Da ist viel Mosel dabei, Österreich auch, mal ein Pfälzer und gern auch etwas Weißes aus Neuseeland. Die Musik ist eher jung und elektronisch, die Kundschaft entsprechend, das Credo der beiden Schüler der Frankfurter Weinlegende Frank Zlunka einfach: Wein darf Spaß machen! Ebenfalls als Mischwesen aus Weinhandlung und kleinem Ausschank konzipiert, lässt sich hier beim samstäglichen Bummel oder vor dem Abendessen hervorragend innehalten.

Für Baden-Württemberger

Das Weingut Franz Keller ist einer dieser Namen, bei dem Kenner mit der Zunge schnalzen. In der neu gestalteten Vinothek des Hotels am Schlossgarten hat das Badener Winzer-Schwergewicht eine Zweigstelle errichtet – eine schöne Variante der schwäbisch-badischen Freundschaft. Obwohl man hier hervorragend tafeln kann, lässt es sich an einem der hohen Tische im Eingangsbereich auch prima bei einem Gläschen oder zwei pausieren. Gewiss, es gibt hier jede Menge Weine des heutigen Oberhaupts Fritz Keller, und das in wunderbarer Jahrgangstiefe. Dazu lockt aber auch das Beste aus Schwaben, eine üppige Auswahl an Franzosen und Ausgewähltes aus der Pfalz, Österreich und Übersee.

Für Neulinge

Die Schwellenangst ist auch beim Weintrinken ein abschreckendes Thema. Nicht jeder traut sich hinein in eine Weinbar voller respektheischender Schnüffler, Schlürfer und Spucker. Das kann im Laden von Mona und Anna-Lisa Wenzler schon mal nicht passieren: Die beiden Schwestern sind selbst erst Anfang 20, haben mit Wein-Moment eine Dependance des Shops Wein-Gut eröffnet, der in Tübingen von ihrer Mutter geführt wird. Entsprechend locker und nah an der Basis ist hier auch der Umgang mit Wein. Wer sich auskennt, dem wird das gewiss zu wenig sein, alle anderen dürften hier gut aufgehoben sein. Mit anderen Worten: Wer Wein eher für einen Anlass aussucht und nicht nach Rebsorte, Jahrgang oder Winzer geht, ist hier richtig.

Für Traditionalisten

In einer Weinstadt wie Stuttgart darf auch eine Weinstube wie das Weinhaus Stetter nicht fehlen. Seit weit über hundert Jahren wird hier Wein getrunken, vor Kurzem ist der Bereich an der Theke zu einer kleinen Weinbar umgestaltet worden. Hier lässt sich eine üppige Weinauswahl durchprobieren, sorgsam kuratiert und ausgewählt von Besitzer Andreas Scherle, der auch als Sommelier im Restaurant zur Weinsteige über einen legendären Weinkeller regiert. Bei ihm gibt es auch schon mal eine Riesling-Spezialabfüllung von Aldingers, mit der der 125. Geburtstag des Traditionshauses in diesem Jahr angemessen gefeiert wird. Und wenn Fellbachs Winzer-Eminenz dem Jubilar auf eine solch berauschende Weise gratuliert, weiß man um den Wert dieser Institution.

Für Stadtmenschen

Lange war er in der Unterführung am Rathaus zu Hause, ab Mitte Dezember ist er in der Calwer Straße zu finden: Der Stadtbesen war und ist ein Anlaufpunkt für all diejenigen, die das mediterrane Prinzip der Enoteca in Stuttgart vermisst haben. Nach italienischem Vorbild gibt es im rustikal-modernen Ambiente eine kleine Auswahl an regionalen Leckereien, manchen offenen Wein zwischen einfachem Trinkwein und gehobenem Tropfen im Ausschank – und mehr als genug Auswahl für den Heimgebrauch. Einziger Wermutstropfen: Durch den Umzug verliert der Marktplatz eine weitere gastronomische Anlaufstelle.