Wolfgang Ossenkopp und Veronica Hell engagieren sich zusammen mit fünf weiteren geschulten Gemeindemitgliedern bei dem Caritas-Projekt. Foto: Hemminger

Mitglieder der Salvatorgemeinde bieten Sprechstunden für Menschen mit Problemen an.

Weilimdorf - Es verliert die schwerste Bürde die Hälfte ihres Drucks, wenn man von ihr reden kann“, soll der Schweizer Pfarrer Jeremias Gotthelf gesagt haben. Die offene Sprechstunde „Orte des Zuhörens“ hat diese Aussage zum Leitmotiv. Sieben Stuttgarter Gemeinden bieten das seelsorgerische Projekt an, das die Caritas ins Leben gerufen hat. Auch im Gemeindehaus der Giebeler Salvatorkirche sind sieben Ehrenamtliche zwei Mal im Monat vor Ort, um Menschen aller Generationen und Konfessionen durch aktives Zuhören dabei zu unterstützen, ihre Probleme zu lokalisieren. Ob Schicksalsschläge, Depression, Krankheit, Armut oder Einsamkeit – egal wo der Schuh drückt, sämtliche Problembereiche können angesprochen werden.

„Wir möchten, dass Menschen bei uns landen können“, sagt Wolfgang Ossenkopp, der die Sprechstunde in Giebel zusammen mit Veronica Hell leitet. „Die Kunst ist es, die Sehnsucht zu erspüren, welche uns den Menschen herbringt. Was ist das eigentliche Thema, worüber er oder sie mit mir reden will?“ Wichtig sei, im Gespräch die richtige Balance zwischen Nähe und Distanz zu finden. Aufgabe der Ansprechpartner sei jedoch nicht, das Gehörte zu kommentieren oder zu interpretieren, sondern einfach nur zuzuhören. „Von guten Ratschlägen und klugen Sprüchen hat man schließlich schon genug gehört“, sagt Ossenkopp. In vielen Fällen gebe es gar keine Lösung des Problems, „darauf kommt es aber auch nicht an“. Wenn festgestellt werde, dass ein Besucher auf professionelle Hilfe angewiesen ist, dann werde ihm die passende Anlaufstelle vermittelt. Während ihrer vierzehnmonatigen Vorbereitungszeit wurden die Ehrenamtlichen extra darin geschult, welche sozialen Hilfswerke existieren. Aber auch Themen wie Gesprächsführung, Sozialgesetzgebung, Integration von Menschen mit Migrationshintergrund oder das Entstehen von Armut wurden in Seminaren besprochen.

Seit das Projekt im Mai angelaufen ist, sind die Ehrenamtlichen aber nicht auf sich allein gestellt, sondern werden weiterhin von Mitarbeitern der Caritas begleitet und beraten. „Es ist wichtig, auch eigene Grenzen zu erkennen, wenn diese sich im Bereich der Orte des Zuhörens auftun“, sagt Fritz Weller von der Caritas. „Die Ehrenamtlichen sind keine Sozialarbeiter, Therapeuten, Pastoralreferenten oder Priester. Auch darauf, die eigenen Grenzen wahrzunehmen, bereitet die Ausbildung die Ehrenamtlichen vor.“

Wer bei den „Orten den Zuhörens“ vorbeischaut, kann sich sicher sein, dass das Besprochene im Raum bleibt: „Wir haben uns selber eine Schweigepflicht auferlegt“, sagt Ossenkopp, der als selbstständiger Kommunikationstrainer arbeitet. Zu seinem Bedauern hat seit dem Projektbeginn erst eine Person die offene Sprechstunde in der Salvatorgemeinde besucht. „Kommt und macht euch das Leben ein bisschen leichter“, appelliert Ossenkopp an Betroffene und macht ihnen Mut, die Schwelle zu überwinden, einfach einmal vorbeizuschauen. Sollten auch in nächster Zeit nicht mehr Besucher das Angebot nutzen, überlegen Wolfgang Ossenkopp und Veronica Hell allerdings, das Konzept zu ändern. „Vielleicht müssen wir dann mehr auf die Menschen zugehen. Zum Beispiel in Altersheimen ist sicher ein großer Bedarf, dass Menschen zugehört wird“, sagt Hell.