Eine halbe Wahrheit, ein falsches Bild, ein Schuss Empörung, und schon macht ein Gerücht die Runde. Foto: Screenshot

Wegen des Besuchs von Muslimen sei der Weihnachtsbaum vor dem Rathaus in Bozen in Südtirol entfernt worden. So lautet das Gerücht – doch die Wahrheit ist eine andere.

Bozen - Die vermeintlichen Verteidiger des Abendlandes stehen wieder einmal auf den Barrikaden. Der Grund: vor dem Rathaus in Bozen sei ein Weihnachtsbaum entfernt worden, um Gefühle von Muslimen nicht zu verletzen. Im Internet macht dieser angebliche Skandal die Runde.

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Viele der empörten Nutzer beziehen sich auf einen Eintrag in dem fragwürdigen, rechtslastigen Blog „Philosophia Perennis“. Dort allerdings ist lediglich nur noch von einem Baum im Gemeindehaus der norditalienischen Stadt die Rede. Das Foto zu dem Text führt aber auf die völlig falsche Fährte. Es zeigt einen pompös geschmückten Weihnachtsbaum in idyllischer Umgebung. Der steht jedoch nicht in Bozen, sondern ist wohl die Dekoration auf dem Marktplatz in der Church Street in Burlington im US-Staat Vermont.

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Auch der Rest der Geschichte stellt sich deutlich anders dar. Einem Bericht der Tageszeitung „Alto Adige“ zufolge handelte es sich bei dem Corpus Delicti nicht um einen Baum, sondern um grüne, gefaltete Pappkartons, die in Form eines Weihnachtsbaums zusammengelegt waren und aus einem Gemeindesaal weggeräumt werden sollten.

Am vergangenen Donnerstagabend hatte eine Veranstaltung des Verbandes Südtiroler Sportveteranen stattgefunden, die den gemieteten Saal nach dem Treffen in dem Zustand übergeben sollten, wie sie ihn vorgefunden hatten – sauber und ohne Baum. Sauber war der Raum, doch der Baum war stehen geblieben.

Am Morgen nach der Veranstaltung erhielt der Präsident des Verbandes, Alberto Ferrini, offenbar einen Anruf der Stadtverwaltung. Er möge auch die gestapelten Kartons wegräumen lassen, denn mittags werde der Raum wieder benötigt, es finde dort die Versammlung eines islamischen Verbandes statt. Ferrini erinnert sich, man habe ihm noch gesagt, die Dekoration könne die Muslime beleidigen. Der Präsident sieht ein, dass der Saal sauber übergeben werden sollte, sagt er dem „Alto Adige“, doch regt er sich darüber auf, dass der Weihnachtsbaum „in Eile und Wut“ schnellstmöglich beseitigt werden musste.

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Inzwischen treibt die Diskussion im Internet um den Vorfall die seltsamsten Blüten. Für die meisten Nutzer ist es eine willkommene Gelegenheit, ihrer aufgestauten Wut auf die Welt freien Lauf zu lassen. Offensichtlich ist, dass die Wahrheit im Sturm der Entrüstung in den sozialen Netzwerken auf der Strecke bleibt.