Das Schwarzwaldidyll trügt: Bad Herrenalb erweist sich erneut als zerrissene Stadt. Foto: S. Jehle

Eine Bürgerinitiative wirbt für den Wechsel der Stadt in den Kreis Karlsruhe. Das sei für sie viel praktischer.

Bad Herrenalb - Der kleine, beschauliche Kurort Bad Herrenalb hat sich in den vergangenen Jahren gelegentlich ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gebracht. Im Dezember 2013 etwa gab es dort den ersten Bürgerentscheid überhaupt im Kreis Calw. Es ging damals um ein gigantisches Spaßbad. Wenn es nach einer neuen Bürgerinitiative geht, soll in Kürze die zweite Volksabstimmung stattfinden: über einen Wechsel der Stadt in den Kreis Karlsruhe.

Der Bürgermeister Norbert Mai (parteilos) ist wenig von der Idee begeistert. Ein CDU-Stadtrat, der stellvertretende Bürgermeister Christian Romoser, glaubt zudem, „die Verwaltung wäre momentan überfordert, einen Bürgerentscheid durchzuführen“. Auch der Calwer Landrat Helmut Riegger übt Kritik am Vorpreschen der Gruppierung: Bad Herrenalb „gehöre zu den Aushängeschildern“ seines Landkreises, ließ er erst jüngst wissen. Zudem habe sein Amt „mit Investitionen und Zuschüssen“ nachhaltig bewiesen, dass die Stadt zwar an der westlichen Kreisgrenze liege, aber „in der Landkreispolitik eine zentrale Rolle einnehme“.

„Wir wollen nicht mehr stillhalten“

Vom „letzten Zipfel des Kreises“, spricht dagegen Martin Knirsch. Er ist der Hauptinitiator des Bürgerbegehrens, schon seit Tagen werden fleißig Unterschriften gesammelt. Knirsch spitzt seine Argumente gerne zu. Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Herrenalb in die 40 Kilometer entfernte Kreisstadt Calw wolle, „braucht länger als ein Kunde der Bahn mit dem TGV von Karlsruhe nach Paris“, sagt er. Seit 2014 ist Knirsch, der 25 Jahre lang für die Freien Wähler im Bad Herrenalber Gemeinderat saß, mit den Gesinnungsgenossen Horst Mohr, Otmar Bumb, Gerhard Wetzel und Michael Höppner für sein Anliegen „Kreiswechsel“ unterwegs.

Lange sei man hingehalten worden. Im vergangenen Jahr habe der Bürgermeister sie abermals „vertröstet“: auf 2018, nach der Gartenschau, deren Vorbereitung gerade das Stadtbild durcheinanderwirbelt. Der Bürgermeister Mai sei wohl „auch vom Landrat in den Senkel gestellt“ worden, glaubt Knirsch. Doch jetzt wolle die Gruppe nicht mehr stillhalten, die sich viele Vorteile von einem Anschluss an den westlich gelegenen Kreis Karlsruhe verspricht: „Karlsruhe ist das Tor zum Süden“, sagt Michel Höppner von der Initiative. „Badische und württembergische Grenzsteine beim westlich gelegenen Drei-Häuser-Weiler Steinhäusle wollen wir aber nicht versetzen“, sagt Martin Knirsch. In Steinhäusle, zwei Kilometer vom Bad Herrenalber Rathaus, ist auch die Kreisgrenze.

Vielmehr sei es beispielsweise die bessere Erreichbarkeit der Berufsschule – bisher müssten die Lehrlinge umständlich nach Calw gelangen, die Stadtbahn nach Ettlingen fahre kürzer und einfacher. Auch mit den Rettungsdiensten, der Feuerwehr und der Polizei würde einiges leichter, meint die Gruppe. Und um manchen Auswuchs der Herrenalber Kreiszugehörigkeit zu illustrieren, erzählt Höppner, dass man früher mit Anträgen auf Außenwirtschaftsgenehmigungen gar noch ins ferne Rottweil gemusst habe, heute sei Pforzheim zuständig. Das für Bad Herrenalb zuständige Landgericht aber sei nach wie vor das im 120 Kilometer entfernten Tübingen. Auf einer Facebook-Seite „Sag Ja zum Landkreis Karlsruhe“ schrieb die Initiative alle Argumente auf, die ihrer Ansicht nach für den Kreiswechsel nach Karlsruhe sprechen. Nicht zuletzt würde die Anreise von Urlaubern und Kurgästen zuerst über das an Karlsruhe grenzende Albtal erfolgen.

Es gibt zudem bereits viele Kooperationen mit Kommunen und Einrichtungen des Nachbarkreises: Seit der Gründung der Tourismusgemeinschaft Albtal gehört Herrenalb dazu. Die Stadtwerke Ettlingen sind Miteigentümer der Herrenalber Werke. Seit Jahrzehnten hat zudem die Akademie der evangelischen Kirche in Baden ihr Tagungshaus in Bad Herrenalb und die Geschäftsstelle in Karlsruhe.

Wie viel Emotionen sind beim Thema Landkreiswechsel mit ihm Spiel? Natürlich sei man „auch beim Anschluss an Karlsruhe in der Randlage“, sagt Martin Knirsch. Die notwendigen Unterschriften für das Bürgerbegehren hat die Gruppe nach eigenen Angaben „fast erreicht“. Von Äußerungen des Landrats, man agiere „stadtschädigend“, lasse sich die Gruppe nicht beeindrucken. Der Calwer Landrat Helmut Riegger zeigte bei einem Gespräch im Rathaus einerseits Verständnis, gab aber auch zu bedenken, im Kreis Karlsruhe wäre Bad Herrenalb nur noch an 24. Stelle von derzeit 32 Kommunen, in Calw belegt die Stadt Platz sieben.

Mancher versteht die Idee nicht recht

Der Vorschlag eines Kreiswechsels stößt in Bad Herrenalb dennoch auf manche Bedenken. Der CDU-Stadtrat Christian Romoser etwa sagt, er hänge weder am Kreis Calw, noch renne er „mit wehenden Fahnen nach Karlsruhe“. Aber eines sei klar: wenn Herrenalb den Kreis wechsle, dann müsse „es dem Bürger durch Verbesserungen dienen“. Gerhard Geschwill, einst Pressereferent der Bürgerinitiative gegen ein vor drei Jahren – gleichzeitig mit den Plänen zur Gartenschau – vorgestelltes gigantisches Bäderprojekt, bleibt pragmatisch: Er habe den Eindruck, gerade werde Relevantes mit Banalem vermischt und Druck aufgebaut. Schließlich würden die Bahnen der Karlsruher Albtalverkehrsgesellschaft schon seit 118 Jahren bis nach Herrenalb fahren, und die im Nordschwarzwald entspringende Alb „nehme ihren Weg Richtung Karlsruhe auch schon seit noch längerer Zeit“.

Nix Neues also, meint Gerhard Geschwill offenbar, ein pensionierter Lehrer, der vor fünf Jahren mit seiner Frau von Ettlingen im Kreis Karlsruhe nach Bad Herrenalb gezogen ist: wegen der im Schwarzwald günstigen Grundstückspreise.

Ein Heilbad mit Problemen

Kurprädikate
Seit dem Jahr 1954 ist das als ehemaliges Klosterdorf bekannte Herrenalb anerkannter heilklimatischer Kurort. 1971 kam, nachdem in 600 Metern Tiefe eine Thermalquelle erbohrt wurde, der Titel Bad hinzu.

Zahlen
Bad Herrenalb zählt heute zusammen mit ihren drei Höhenstadtteilen etwa 7400 Einwohner. Davon leben etwa 4000 Menschen im eigentlichen Kernort. Seit Jahren wird über die steigende Verschuldungsrate der Stadt geklagt.

Bäderkreis
Die Kurstadt Bad Herrenalb hat, wie viele andere Kur- und Erholungsorte, mit dem Strukturwandel zu kämpfen. Auch am Rande des Nordschwarzwalds hält die Tendenz zum Kurzzeittourismus an. Der Kreis Calw schmückt sich seit der Gebietsreform in den siebziger Jahren mit dem Titel Bäderkreis. Zu dem Calwer Quartett zählen neben Bad Herrenalb Bad Teinach-Zavelstein, Bad Wildbad und Bad Liebenzell.

Frauenalb
Sozusagen eine kleine Schwester ist der einst badische Nachbarort Frauenalb – dessen Gründung auf denselben Fürsten zurückgeführt wird wie bei Herrenalb. Frauenalb ist ein etwa drei Kilometer westlich gelegener Teilort der Gemeinde Marxzell im Kreis Karlsruhe.