Bei den Grünen bahnt sich ein größerer Führungswechsel an. Man braucht Ersatz für Jürgen Trittin, Claudia Roth und Renate Künast.

Berlin - Nach der Niederlage der Grünen bei der Bundestagswahl stehen Partei und Fraktion vor einem Führungswechsel. Nach Claudia Roth und Renate Künast kündigte auch Fraktionschef Jürgen Trittin seinen Rückzug an. „Ich werde für Fraktionsspitze nicht wieder antreten“, teilte er über den Kurznachrichtendienst Twitter mit.

„Über Sondierungsgespräche entscheidet nicht CSU. Die werden Katrin und ich mit führen“, twitterte Trittin mit Blick auf mögliche schwarz-grüne Sondierungsgespräche. Katrin Göring-Eckardt und er hatten als Spitzenkandidaten den Wahlkampf verantwortet. Die neuen Fraktionsvorsitzenden sollen am 8. Oktober gewählt werden.

In der Sitzung der ausscheidenden und neuen Grünen-Abgeordneten bekam Trittin langanhaltenden Applaus. Seine Nachfolge will Anton Hofreiter werden. Als Fraktionschefin antreten will Katrin Göring-Eckardt. „Wir haben eine schwere Führungsaufgabe“, sagte die 47-Jährige, die gemeinsam mit Trittin an der Spitze des Wahlkampfs stand, laut Teilnehmern. Dafür wolle sie antreten. Die Fraktionsführung besteht aus einer Doppelspitze mit mindestens einer Frau und jeweils einem Vertreter von Parteirealos und -Linken.

Auch Roth und Künast treten ab

Zuvor hatten bereits Parteivorsitzende Claudia Roth und Fraktionschefin Renate Künast angekündigt, nicht wieder zu kandidieren. „Ich werde bei der Neuwahl des Bundesvorstands nicht mehr antreten“, sagte Roth am Dienstag in Berlin. „Ich glaube, jetzt ist der richtige Zeitpunkt für eine Neuausrichtung.“ Die Bundestagswahl 2017 solle erneuert vorbereitet werden. Roth hatte sich am Montag erst vor Vertretern ihres linken Flügels erklärt.

Künast sagte, sie habe ihre bereits vor Längerem getroffene Entscheidung bei einem Treffen der Abgeordneten ihres Realoflügels mitgeteilt. Sowohl Roth als auch Künast wollen für das Amt der Bundestags-Vizepräsidentin antreten. Dieses wird bisher von Katrin Göring-Eckardt ausgeübt.

Scharfe Kritik von Joschka Fischer

In die zunehmend angespannte Debatte bei den Grünen griff nun auch der langjährige Fraktionschef und Außenminister Joschka Fischer mit scharfer Kritik ein. „Es scheint fast, als ob die derzeitige Führung der Grünen älter geworden ist, aber immer noch nicht erwachsen“, sagte er dem „Spiegel“. „Sie hat eine Strategie verfolgt, die nicht nur keine neuen Wähler gewann, sondern viele alte vergraulte.“ Statt über Umwelt und Europa, Bildung und Familien hätten die Grünen nur über Steuern und Abgaben geredet.

Es sei ein fataler Fehler gewesen, die Grünen strategisch auf einen Linkskurs zu verringern, sagte Fischer. Damit sei die Partei in der Konkurrenz zu SPD und Linken gnadenlos untergegangen. Diese Kritik dürfte vor allem auf Trittin abzielen.

Ähnlich äußerte sich auch der ehemalige Parteichef Reinhard Bütikofer. „Der Verzicht von Rot wie Grün auf ein ernsthaftes Ringen mit Kanzlerin Merkel um die Deutungshoheit in der Europapolitik erlaubte ihr eine politische Hegemonie“, sagte er dem „Spiegel“. Der schleswig-holsteinische Umwelt- und Energieminister Robert Habeck (Grüne) sagte dem Nachrichtenmagazin: „Wir haben skeptische Wähler mit unserer trotzigen Art für blöd erklärt.“

Roth sagte über ihren Rückzug: „Nach insgesamt elfeinhalb Jahren Vorsitz ist ein Wechsel an der Spitze der Partei durchaus angebracht.“ Ihr wurde nach Teilnehmern des Abgeordnetentreffens viel Respekt für ihre Arbeit und den angekündigten Schritt gezollt. Als ihre mögliche Nachfolgerin gilt die ehemalige saarländische Umweltministerin Simone Peter. Die Vizechefin der Grünen-Fraktion im Saar-Landtag hatte dies als Spekulation bezeichnet, zu der sie sich jetzt nicht äußern könne.

Auf einem Bundesparteitag in wenigen Woche sollen nach der Wahlniederlage vom Sonntag Bundesvorstand und Parteirat neu gewählt werden. Dass der Vorstand vorzeitig seine Ämter zur Verfügung stellen solle, hatte Roth am Montag nach Absprache mit Co-Parteichef Cem Özdemir selbst in interner Sitzung vorgeschlagen. Özdemir hatte angekündigt, erneut als Parteichef antreten zu wollen.