„Derzeit“ bedürfe es keiner Änderung der Rentenanpassung, heißt es bei der Bundesregierung. Doch was bedeutet das für die nächsten Jahre? Foto: epd/Michael Dietrich

Eigentlich muss sich das Rentenniveau an der wirtschaftlichen Lage ausrichten – aber kommt es auch so? Die FDP warnt davor, die Generationengerechtigkeit aus dem Auge zu verlieren.

Berlin - Wie entwickeln sich nach 2021 die Renten? Diese Frage lässt Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Brief an den FDP-Abgeordneten Johannes Vogel offen. Vogel warnt deshalb die Große Koalition davor, die Generationengerechtigkeit aus dem Auge zu verlieren.

Noch ist alles in Ordnung. Im Juli 2020 steigen die Renten der 20 Millionen Rentner deutlich. Im Westen ergibt sich ein Plus von 3,45 Prozent, im Osten beträgt der Zuschlag 4,2 Prozent. Vor der Pandemie war die Konjunktur so stark, dass 2019 die Löhne und Gehälter stiegen. Und weil sich die Anhebung der Renten danach bemisst, wie sich im Vorjahr Löhne und Gehälter entwickelt hatten, kommt es – Corona-Krise hin oder her – am 1. Juli zu der deutlichen Rentenanhebung.

Rentengarantie mit Ausgleich

Allerdings werden 2020 aufgrund der tiefen Rezession die Einkommen der Arbeitnehmer voraussichtlich kräftig fallen. Damit müssten 2021 dann eigentlich auch die Renten sinken. Genau das aber wird nicht passieren. Denn schon vor Jahren hat die Große Koalition beschlossen, dass der Zahlbetrag, den die Älteren monatlich von der gesetzlichen Rentenversicherung aufs Konto überwiesen bekommen, nominal nicht sinken darf – und sei die Lohnentwicklung im Vorjahr noch so schlecht gewesen.

Diese so genannte Rentengarantie verband der frühere Sozialminister Olaf Scholz 2009 aber mit einem Ausgleich. Er besagt, dass in wirtschaftlich besseren Zeiten – also dann, wenn nach einer wirtschaftlichen Krise die Löhne und Gehälter wieder steigen – die Rentenanhebungen niedriger ausfallen. Vom Zuwachs, wie er sich aufgrund der Einkommen ergibt, wird also ein Abschlag vorgenommen, um einen Ausgleich zwischen den Jüngeren und Älteren vorzunehmen. Diesen Ausgleich namens Nachholfaktor hat Sozialminister Hubertus Heil (SPD) aber ausgesetzt. Und deshalb stellt sich nun die Frage, was nach 2021 passiert. „Derzeit“, schreibt Merkel an Vogel, „bedarf es keiner Änderung der Rentenanpassung“. Die Regierung werde zu gegebener Zeit prüfen, „wie mit etwaigen Auswirkungen infolge sinkender Löhne aufgrund der Corona-Pandemie in Bezug auf die Rentenanpassungen umzugehen ist.“

Bangen vor dem Wahljahr 2021

Jedenfalls fürs erste bleibt es also dabei, dass der Faktor nicht gilt. Merkels Hinweis mit der „gegebenen Zeit“ überzeugt Vogel aber nicht. Im Herbst 2021 stehen Bundestagswahlen an, danach kommt eine neue Regierung ins Amt. Es sei ein Fehler von Schwarz-Rot gewesen, den Faktor auszusetzen, meint Vogel. Er rechne nicht damit, dass ein Gesetz, das den Faktor wieder einführt, im Wahljahr 2021 eine Chance habe. Die Folge: „Die Bundesregierung will ihren eigenen Scherbenhaufen nicht etwa aufkehren, sondern der nächsten Bundesregierung vor die Füße kippen.“

Vogel hält es für unfair, wenn nach Corona die Renten insgesamt stärker steigen würden als die Einkommen der Arbeitnehmer – und zwar selbst dann, wenn das so genannte Rentenniveau über dem Wert von 48 Prozent liegt, den die Regierung bis 2025 zugesichert hat. Dies verletzte die Generationengerechtigkeit, meint der Liberale: „Denn wenn man sich entscheidet, gemeinsam eine Wanderung zu machen, dann muss der eine auch mal warten, wenn der andere einen Stein im Schuh hat.“