Unendliche Nachsitzungen: Die Jamaika-Sondierer versuchen es mit einer neuen Runde. Foto: dpa

Was ist, wenn sich die Parteien nicht einigen können? Ein erneuter Urnengang wäre mit hohen Kosten verbunden. Für die Jamaika-Parteien wäre es zudem riskant.

Berlin - Notfalls soll über das ganze Wochenende sondiert werden. Die Jamaika-Parteien setzen ihren Verhandlungsmarathon fort. „Es gibt keinen Anlass, von einem Scheitern zu reden“, sagte der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer vor Beginn der Gespräche am Freitagmittag. Er habe sich notfalls das Wochenende freigehalten. Seehofer sprach von einem schwierigen Verhandlungsstand. Damit rückt die Frage näher, was passiert, wenn sich die Jamaika-Koalitionäre nicht verständigen. Natürlich würde die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zuerst versuchen, mit der SPD erneut eine große Koalition zu bilden. Doch die Sozialdemokraten sind entschlossen, keine Ehe mehr mit der Union einzugehen. Theoretisch bliebe auch noch die Möglichkeit, eine Minderheitsregierung zu bilden. Doch das ist wenig wahrscheinlich, denn es handelte sich um keine stabile Regierung. Beim Scheitern von Jamaika kommt es wohl zu Neuwahlen.

Mehrheit der Bürger favorisiert bei Scheitern neue Wahl

Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Bürger Neuwahlen favorisiert, wenn die Jamaika-Koalition nicht gebildet wird. Der Weg dazu wäre auf jeden Fall schwierig. Bevor es dazu kommen kann, muss der neue Bundestag aufgelöst werden. Dabei kommt dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier die wichtigste Rolle zu. Nur er könnte Neuwahlen herbeiführen.

Drei Mal gab es in der Geschichte der Bundesrepublik Neuwahlen: 1972, 1983 und 2005. Jedes Mal ging die Initiative dazu vom amtierenden Kanzler aus. Willy Brandt (SPD), Helmut Kohl (CDU) und Gerhard Schröder (SPD) entschieden sich, im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen. Das Scheitern war kalkuliert. Wenn der Regierungschef im Parlament keine Mehrheit hinter sich weiß, kann er nach dem Grundgesetz dem Bundespräsidenten vorschlagen, den Bundestag vorzeitig aufzulösen. Doch diese Variante ist Angela Merkel versperrt. Grund dafür ist, dass die Kanzlerin mitsamt ihren Ministern nur noch geschäftsführend im Amt ist. Merkel kann im Parlament nicht die Vertrauensfrage stellen. Damit bleibt nur die Möglichkeit, dass der neue Bundestag zunächst eine neue Kanzlerin wählt, damit das Parlament bald danach wieder aufgelöst wird.

Das Grundgesetz sieht dafür dieses Szenario vor: Der Bundespräsident unterbreitet dem Bundestag einen Vorschlag, obwohl sich keine Koalition gebildet hat. Anzunehmen ist, dass Steinmeier einen Politiker der stärksten Fraktion vorschlägt: das ist die CDU/CSU-Fraktion und alles liefe auf die CDU-Vorsitzende Merkel zu. In einem Wahlgang bräuchte sie die absolute Mehrheit des Parlaments. Darüber verfügt die Union nicht, deshalb kann der Wahlgang innerhalb von 14 Tagen wiederholt werden. Wenn Merkel auch hier unterliegt, reicht im dritten Wahlgang die einfache Mehrheit. Da nicht mit aussichtsreichen Gegenkandidaten zu rechnen ist, wäre Merkel als Chefin einer Minderheitsregierung gewählt. Der Bundespräsident kann die Minderheitsregierung mit der Ausübung der Geschäfte betrauen oder den Bundestag auflösen. Entscheidet sich Steinmeier für die Parlamentsauflösung, muss innerhalb von 60 Tagen neu gewählt werden.

Teure Lösung für den Steuerzahler

Von diesen Aussichten sind die Jamaika-Partner wenig angetan: Union, FDP und Grüne erwarten, dass bei einem erneuten Urnengang ein ähnliches Wahlergebnis wie am 24. September herauskommen könnte. Somit könnte sich erneut die Frage stellen: Große Koalition oder Jamaika. Auch finanziell wäre die Neuwahl mit einem Kraftakt verbunden. Auf die Parteien kämen hohe Mehrausgaben wegen des Wahlkampfs zu. Und auch der Steuerzahler müsste tief in die Tasche greifen: Die letzte Wahl hat nach Angaben des Bundesinnenministeriums 92 Millionen Euro gekostet. Mit einer ähnlichen Summe wäre erneut zu rechnen.