Afghanen spotten, die Bundeswehr schieße mit ihren Tornado-Jets Fotos, statt Bomben auf die immer stärkeren Taliban zu werfen. Hätte sie das Recht dazu? Fragen und Antworten.

Berlin - Die Lage in Kundus vor dem Luftangriff vom 4. September: Zwei bis drei Angriffe und Anschläge pro Woche verzeichnet die Bundeswehr. Afghanen spotten, die Bundeswehr schieße mit ihren Tornado-Aufklärungsjets Fotos, statt endlich Bomben auf die immer stärkeren Taliban zu werfen. Fragen und Antworten.

Am 4. September befahl der deutsche Oberst Georg Klein, zwei entführte Tanklastzüge und aufständische Taliban-Rebellen zu bombardieren. War das rechtens?

Die Befugnisse der Bundeswehr in Afghanistan richten sich nach dem Mandat, das die Vereinten Nationen (UN) der Nato erteilte und verfassungsrechtlich nach dem Mandat, das ihr der Bundestags aufträgt. Beide Mandate sehen vor, dass auch militärische Gewalt einzusetzen ist, um diesen Auftrag zu erfüllen. Im achten Satz der so genannten Taschenkarte der Bundeswehr - einer Art Regieanweisung für Soldaten im Auslandseinsatz - steht sinngemäß: Angriffe können auch dadurch verhindert werden, indem gegen feindselige Personen vorgegangen wird, die Angriffe planen, vorbereiten oder unterstützen. Zur Selbstverteidigung dürfen Waffen ohnehin eingesetzt werden. Allerdings müssen auch hierbei das UN-Mandat, die Einsatzregeln (in diesem fall die der Nato) sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingehalten werden. Die Nato kritisierte den Luftschlag, weil keine Bodentruppen am Ort waren, um die Lage aufzuklären.

Politiker, Juristen und Militärs streiten, ob in Afghanistan Krieg herrscht oder - wie es Verteidigungsminister Theodor zu Guttenberg sagt - kriegsähnliche Zustände bestehen. Wie ist die Rechtslage für Soldaten?

Der Afghanistan-Einsatz unter dem Isaf-Mandat gilt als nichtinternationaler bewaffneter Konflikt - will heißen, dass sich dort keine Staaten im Krieg gegenüberstehen, sondern aufständische Taliban oder El-Kaida-Terroristen". Die Bundesanwaltschaft prüft zurzeit, ob sich die Bundeswehr dort an einem Bürgerkrieg beteiligt - damit müssten sich Verfahren gegen deutsche Soldaten am Völkerstrafgesetzbuch orientieren. Sollte die Bundesanwaltschaft das nicht so sehen, träte das übliche Strafrecht in Kraft - was den Rechtsstatus der Soldaten erheblich schwächen würde, weil sie jeden Einsatz von Waffengewalt dann strafrechtlich vor Gericht ausfechten müssten.

Die Nato wirft Oberst Klein vor, unverhältnismäßig gehandelt zu haben. Warum?

Das Verhältnis zwischen dem US-geführten Nato-Kommando und der Bundeswehr war bereits vor dem umstrittenen Luftschlag von Spannungen geprägt. Die USA, die bisher verlustreich vorgegangen waren, setzten seit Sommer auf die Strategie: Weniger Jagd auf Verbrecher, sondern mehr Schutz für Zivilisten. Ausgerechnet in dieser Situation befahl die bis dahin als zurückhaltend geltende Bundeswehr den Luftschlag. Die Nato zählt bis zu 142 Tote und Verletzte - darunter bis zu 40 Zivilisten. Sie hält Oberst Klein vor, die Einsatzregeln missachtet zu haben, weil er keine Bodentruppen schickte, um die Lage zu klären. Klein wollte verhindern, dass die Benzin beladenen Laster geplündert werden und es zu Sprengstoffanschläge auf das deutsche Feldlager kommt.

Die Bundesregierung hat öffentlich nie eingeräumt, dass auch deutsche Soldaten in Afghanistan dazu da sind, zu töten. Warum nicht?

Der Einsatz war von Beginn in der Bevölkerung höchst umstritten. Er erfuhr seine politische Legitimation durch die Bündnisverpflichtung mit den USA, die in Afghanistan die Drahtzieher für die Terroranschläge des 11. Septembers vermuten. Tatsächlich stellte sich die Frage: Ist die Bundeswehr dort, um nach wie vor treu zu Amerika zu stehen oder um den Afghanen zu helfen? Deutschland ist heute drittgrößter Truppensteller, und ihr Aufgabengebiet wächst halbjährlich. Um so bedeutender sie für das Gesamtgefüge des internationalen Einsatzes geworden. Die Mehrheit der Deutschen jedoch ist jetzt erst recht für den Abzug der Truppe. Darum versucht auch die dritte Bundesregierung in Folge, das Thema herunterzuspielen und vor allem aus Bundestagswahlkämpfen herauszuhalten.