Die Glasfasertechnologie macht Internetanschlüsse besonders leistungsfähig, hat in Deutschland bisher aber eine geringe Bedeutung. Foto: dpa

Der Staat wird von Einnahmen überflutet, doch für die Zukunft des Gemeinwesens hat er wenig übrig, meint StN-Autor Klaus Köster.

Stuttgart - Krise? Welche Krise! Gemessen am Bundeshaushalt, den Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) jetzt abgeschlossen hat, könnte die wirtschaftliche Lage in Deutschland besser nicht sein. Auf satte 13,5 Milliarden Euro belief sich der Überschuss des vergangenen Jahres – so viel wie nie zuvor. „Wir hatten ein bisschen Glück, und natürlich haben wir auch gut gewirtschaftet“, freut sich Scholz. Damit zieht er allerdings eine eher freundliche Bilanz seiner Arbeit.

Bei Bevölkerung kam wenig an

Jahrelang profitierte der Staat vom Aufschwung, doch bei der Bevölkerung ist davon nicht viel angekommen. Ihre Belastung steigt, nicht zuletzt durch teilweise horrende Wohnkosten, durch die teure Energiewende und durch bald steigende Sozialausgaben. Doch der Idee, den Bürgern, die die Überschüsse erarbeitet haben, etwas zurückzugeben, kann Scholz nicht viel abgewinnen. Er steckt das Geld in eine auf inzwischen 48 Milliarden Euro angeschwollene Flüchtlingsrücklage, der zunehmend die Funktion eines Sammelbeckens für Gelder zukommt, die man weder ausgeben kann noch dem Bürger zurückgeben möchte. Dabei sind die Überschüsse im Etat nicht etwa auf eine effiziente Haushaltsführung zurückzuführen. Sie entstehen vor allem dadurch, dass der Staat bei den Zinsen Milliarden einspart und es nicht mehr schafft, das Geld so schnell auszugeben, wie es bisher in die öffentlichen Kassen fließt.

Selbstverständlich braucht ein hoch entwickeltes Land wie Deutschland ein leistungsfähiges Staatswesen, das auch nicht das billigste sein muss. Deutschland ist auf seine Köpfe, auf Technologien und auf eine Industrie angewiesen, die in Zeiten des technologischen Wandels vor geradezu historischen Herausforderungen steht. In dieser Lage ist ein Bildungswesen, in dem jedes begabte Kind die Chance auf eine bestmögliche Qualifikation hat, eine existenzielle Voraussetzung für das wirtschaftliche Wohlergehen. Dass der erreichbare Bildungsstand in Deutschland so stark von der familiären Herkunft abhängt, ist nicht nur eine Ungerechtigkeit ersten Grades, sondern bedeutet auch eine Verschleuderung von Ressourcen, die das Land sorgsam mehren müsste, anstatt sie vor sich hinwelken zu lassen.

Defizite bei Bildung und Digitalem

155,2 Milliarden sind im kommenden Bundeshaushalt für das Ministerium für Arbeit und Soziales eingeplant. Der Etat für Bildung und Forschung dagegen liegt dagegen bei 18,3 Milliarden. Auch bei der digitalen Infrastruktur, die für die Digitalisierung der Industrie elementar ist, liegt vieles im Argen. 3,2 Prozent der stationären Breitbandanschlüsse sind über die besonders leistungsfähige Glasfasertechnologie verbunden – in Südkorea sind es 80,4 Prozent, in der Industrieländerorganisation OECD 26. Das ist das Armutszeugnis eines reichen Landes. Dafür leistet sich Deutschland eine Grundrente, die zum allergrößten Teil an Haushalte fließen wird, die gar nicht bedürftig sind. Sie wird allein bis 2025 ein Vielfaches der drei Milliarden Euro kosten, die dem Land in dieser Zeit eine strategische Schlüsseltechnologie wie die Künstliche Intelligenz wert ist. Von der Grundlagenforschung für klimafreundliche Technologien ganz zu schweigen.

Längst ist nicht mehr der Mangel an Einnahmen das Problem, sondern die Kurzsichtigkeit bei den Ausgaben. Der Staat achtet durch die Kassenbon-Pflicht sorgsam darauf, dass er seine Einnahmequellen ausschöpft, doch die gleiche Achtsamkeit würde man sich wünschen, wenn es um die Verwendung der vereinnahmten Gelder geht. Für wegweisende Investitionen in Bildung und Infrastruktur könnten die sprudelnden Einnahmen ein Glücksfall sein. Umso enttäuschender ist, wie lustlos Entscheidungsträger mit der Zukunft des Gemeinwesens und der Bürger umgehen.

klaus.koester@stuttgarter-nachrichten.de