Proteste gegen das Auto: Was hat die IG Metall ihnen entgegenzusetzen? Foto: dpa

Die Autobranche verändert sich rasant und mit ihr die Machtverhältnisse. Doch die IG Metall hat für den Wandel noch keine Strategie gefunden, mein StN-Autor Klaus Köster.

Stuttgart -

Der Schlag zeigte Wirkung, denn er kam ohne Vorwarnung: Mit nur noch 71 Prozent der Stimmen wurde IG-Metall-Chef Jörg Hofmann beim Gewerkschaftstag in Nürnberg im Amt bestätigt – eine herbe Niederlage, die Hofmann erkennbar auf dem falschen Fuß erwischte. Das ist das Problem.

Lange Zeit glich der technologische Wandel der Branche einer Fata Morgana – noch vor zwei Jahren erklärten zwei von drei Betriebsräten, sie erwarteten in den nächsten Jahren keine Veränderungen durch die Elektromobilität. Doch nun, befeuert durch die Handelskonflikte, ist der Wandel da, und er fühlt sich nicht gut an. Der Daimler-Vorstand fordert von den Führungskräften kurzfristig die Einsparung von mehr als vier Milliarden Euro, und Bosch-Chef Volkmar Denner spricht angesichts der Dieselkrise bereits offen von Personalabbau. Für das E-Auto werde nur ein Zehntel der Beschäftigten benötigt wie für den Diesel.

Machtverhältnisse verschieben sich

Auch die Gewerkschaft steht vor massiven Veränderungen. Die E-Mobilität verschafft den Arbeitgebern die Möglichkeit, die neuen Jobs in aller Welt zu schaffen und bestehende Jobs langfristig auslaufen zu lassen. Länder wie China setzen alles daran, bei diesen Technologien eine weltweit führende Stellung einzunehmen. Deutschen Managern wiederum läuft das Wasser im Mund zusammen, wenn sie auch nur daran denken, Wertschöpfung aus dem Einflussbereich der IG Metall hinausverlagern zu können. Sie rechnen vor, dass die Löhne allein seit 2011 um 14 Prozent stärker gestiegen seien als die Preise.

Die Sozialpartnerschaft, die Deutschland 2009 die tiefe Krise meistern ließ, hat tiefe Risse bekommen. Die Arbeitgeber halten sich alle Optionen offen und lassen ihre Betriebsräte zappeln. Doch die Gewerkschaft hat bisher vor allem Warnungen an die Gegenseite zu bieten. Nötig wäre dagegen eine Strategie, die die Tarifpolitik zum Instrument der Jobsicherung macht.

Wegducken vor den Öko-Aktivisten

Auch in der gesellschaftspolitischen Debatte fehlt der Gewerkschaft bisher ein Kompass. Im routinierten Kampf um Lohnprozente und Arbeitszeiten tritt sie mit breitem Kreuz auf – doch vor Klima-Aktivisten duckt sie sich weg wie ein ertappter Sünder. Wo war die Gewerkschaft, als das Bündnis „Sand im Getriebe“ vor wenigen Wochen die Internationale Automobilausstellung blockierte? Hätte es ihr nicht gut angestanden, dort die Belange der Arbeitnehmer zu vertreten, für die es neben dem Klimaschutz auch um ihre Existenzgrundlage geht? Hätte eine Gewerkschaft, die sich ja verstärkt um Hochqualifizierte bemüht, nicht auch etwas zu Greta Thunbergs Mantra zu sagen, man möge endlich auf die Wissenschaft hören? Wo war sie, als die Gelbwesten in Stuttgart dafür demonstrierten, die sozialen Folgen der Fahrverbote nicht aus den Augen zu verlieren?

Die Forscher unter den IG-Metallern könnten bei all diesen Gelegenheiten darauf hinweisen, dass kohlestrombetriebene Batterieautos eher die Zahl der Jobs verringern als die Treibhausgase in der Atmosphäre. Sie könnten auch sagen, dass es einen nahezu sauberen Diesel inzwischen ebenso gibt wie Technologien, für deren Produktion viel mehr Menschen benötigt werden und deren Rohstoff nicht in afrikanischen Minen gewonnen wird. Doch anstatt auf die Weiterentwicklung zukunfts- und jobträchtiger Technologien wie der Brennstoffzelle zu pochen, unterstützt die Gewerkschaft sogar die Verzögerungstaktik der Hersteller, die in der Zwischenzeit daran arbeiten, E-Jobs im Ausland zu schaffen. Die IG Metall hat noch nicht in Gänze realisiert, dass der Kampf um künftige Jobs mindestens genauso hart sein wird wie der um Lohnprozente.

klaus.koester@stuttgarter-nachrichten.de