Brit Melters hat die Kontrolle über ihren Oberkörper, die Arme und die Hände zurückgewonnen. Foto: Claudia Barner

In unserer Serie „Mein 2017“ sprechen wir mit Menschen, die im vergangenen Jahr etwas Außergewöhnliches erlebt haben. Wir fragen nach, wie es ihnen geht, was sich inzwischen verändert hat und blicken auch ein wenig in die Zukunft. Heute: Brit Melters aus Waldenbuch.

Waldenbuch - Die Waldenbucher Bürgerstiftung hat seit September 2017 einen neuen Vorstand. Das klingt zunächst nicht weiter spannend. Für Brit Melters, die in den kommenden vier Jahren den stellvertretenden Vorsitz übernimmt, ist die neue Aufgabe jedoch weit mehr als ein Ehrenamt. Das öffentliche Engagement ist für die 45-jährige Waldenbucherin ein weiterer Schritt zur Normalität. 2006 hat ein schwerer Unfall die Halswirbelsäule der Berufssportlerin verletzt. Seitdem kämpft sie sich zurück ins Leben. „Ich habe auf diesem Weg so viel Unterstützung erfahren. Jetzt ist es an der Zeit, etwas zurückzugeben“, sagt sie.

Sich wegducken, wenn es schwierig wird, die Verantwortung anderen überlassen - davon hat Brit Melters noch nie viel gehalten Sie ist eine, die die Dinge angeht, die ihr Leben weiter machen will und die Freiheit sucht. Mit damals 26 Jahren hat die Studentin der Politik- und Literaturwissenschaften die Weichen deshalb neu gestellt. „Nach einem Schnuppersprung mit einem Fallschirmlehrer stand für mich fest: Das mache ich auch“, erinnert sich Brit Melters.

Das Unglück geschah in der Skihütte

Sie absolvierte die Ausbildung zur Tandem-Masterin und AFF-Lehrerin, ließ sich aus Flugzeugen, dem Heißluftballon und dem Helikopter in die Tiefe fallen. „Ein Sprung aus 7800 Metern Höhe war mein Rekord“, erzählt sie. Brit Melters kannte die Gefahren und ihre persönlichen Grenzen. „Ich bin kein Mensch, der auf Risiko geht. Wenn man sich an die Sicherheitsbestimmungen hält, ist das Fallschirmspringen sicherer als Autofahren“, sagt die 45-Jährige.

In ihrem Beruf hatte Brit Melters alles im Griff. Die dramatische Wende im Leben der Waldenbucherin kam über Nacht. Den Jahreswechsel 2006/2007 verbrachte sie mit Freunden in einer Hütte in der Schweiz. Während sie schlief, fiel der Schrank des Klappbetts um, begrub sie unter sich und quetschte ihre Halswirbelsäule schwer. Bis Hilfe in die abgelegene Gegend kam, hatten sich die gesundheitlichen Schäden schon manifestiert und für Brit Melters begann ein langer Kampf.

„Man hat keine Wahl“, sagt sie heute. „Man kann sich ins Bett legen und weinen. Das habe ich getan, aber das wird schnell langweilig. Also habe ich mich entschieden, weiterzumachen“. Entgegen aller Prognosen gelang es ihr, wieder Kontrolle über den Oberkörper, die Arme und die Hände zu gewinnen. Doch die enorme Energieleistung für jeden noch so kleinen gesundheitlichen Fortschritt ist nicht die einzige Herausforderung, der sich Brit Melters Tag für Tag stellen muss.

Ein Crowdfunding-Projekt soll einen Rollstuhl finanzieren

Der Rechtsstreit mit der Haftpflichtversicherung des Schweizer Hausbesitzers, der es versäumt hatte, das Schrankbett an der Wand zu befestigen, geht nach elf Jahren nun in die dritte Instanz. Brit Melters hofft auf Entschädigung. Doch bisher gab es nur Kosten. „Die Rechtsschutzversicherung ist mittlerweile ausgeschöpft. Ich weiß noch nicht, wie es weiter geht“, berichtet sie. Auch mit der Krankenkasse und dem Pflegedienst läuft nicht immer alles rund. Im Moment kämpft Brit Melters um einen zweiten Rollstuhl, der es ihr ermöglicht, auch einmal spontan Termine wahrzunehmen. „Wenn ich meine Wohnung verlassen will, müssen erst die Räder vom Rollstuhl montiert werden und zwei Personen müssen ihn zwei Stockwerke nach unten tragen“, erklärt sie das Dilemma.

Weil die Kasse nicht zahlt, hat ihr Jugendfreund Olaf Müller über die Internetplattform gofundme.com im Juli 2017 ein Crowdfunding-Projekt gestartet. 8000 Euro für einen Faltrollstuhl und Therapieeinheiten mit dem Exoskelett an der BG-Unfallklinik in Tübingen sind das Ziel. Rund 3000 Euro sind bereits zusammengekommen. Ohne den Einsatz des Freundes wäre eine externe Finanzspritze nicht möglich. „Spenden an mich würden sofort mit der Grundsicherung verrechnet werden“, erklärt Brit Melters.

Seit dem Sommer 2017 hilft sie der Bürgerstiftung

Die 45-Jährige will - soweit es möglich ist - selbstbestimmt leben. Und sie will die Hilfsbereitschaft ihrer Mitmenschen nicht überstrapazieren. „Es ist wirklich beeindruckend, wie viel Unterstützung ich in den vergangenen Jahren erfahren habe. Gerade auch von Mitbürgern aus Waldenbuch“, erzählt sie. Als es in ihrem Haus noch keinen Treppenlift gab, hat sie über die Facebook-Gruppe der Schönbuchstadt nach Helfern gesucht, die sie vor Fahrten zum Arzt oder Therapeuten zum Auto trugen. „Es war tatsächlich immer jemand da“, stellt sie rückblickend fest. Auch als der Pflegedienst ausfiel, kamen Menschen vorbei und halfen beim Waschen oder Anziehen.

Als die Bürgerstiftung im Sommer bei Brit Melters angefragt hat, ob sie sich eine Tätigkeit im Vorstand der gemeinnützigen Organisation vorstellen könne, musste die 45-Jährige deshalb nicht lange überlegen. „Es ist ein schönes Gefühl, wenn ich nach so langer Zeit auch wieder einmal etwas für andere tun kann“, sagt sie. Die ersten Treffen mit den Vorstandskolleginnen gab es bereits und Brit Melters kennt auch hier nur eine Richtung: Volle Kraft voraus. „Wir haben viele neue Projekte in der Pipeline, die wir in den nächsten Monaten umsetzen wollen“, sagt sie.