Seit 2013 gibt es in Waldenbuch das Angebot der netten Toilette. Foto: Claudia Barner

Was tun, wenn die Notdurft drängt und sich auch nicht verkneifen lässt? Oft bleibt dann nur Betteln bei der nächsten Gastwirtschaft. Wir haben mit Gastronomen gesprochen, die eine „nette Toilette“ haben. Was bedeutet das für sie?

Waldenbuch - Wer unterwegs ein starkes Bedürfnis nach Erleichterung verspürt, kann schon mal unter Druck geraten. Öffentliche Toiletten sind vor allem in kleineren Städten und Gemeinden rar. Da hilft oft nur ein Bittgang in einer Gaststätte. Doch nicht jeder Wirt hat Verständnis. Zettel mit der Aufschrift „Nur für Gäste“ oder ein genervtes „Wenn’s unbedingt sein muss“ im vollbesetzen Gastraum machen die Pinkelpause zum Spießrutenlauf.

In Waldenbuch müssen sich Touristen und Passanten dringende Geschäfte nicht verkneifen, und sie müssen auch nicht um Einlass betteln. Fünf Gastronomiebetriebe stellen ihre sanitären Anlagen kostenfrei zur Verfügung. Ein roter Aufkleber mit der Aufschrift „nette Toilette“ dient als Erkennungszeichen. 2013 hat sich die Stadt auf Beschluss des Gemeinderats der Aalener Initiative angeschlossen. Seitdem sind die Wege zum nächstgelegenen stillen Örtchen in der Schönbuchstadt nicht weit.

Die Stadt belohnt die Teilnehmer mit Geld

„Davon profitieren die Bürgerinnen und Bürger, aber auch unsere Gäste“, sagt Nicole Jassmann, die als Stadtmarketingbeauftragte dafür zuständig ist, den Tourismus in der kleinen Museumsstadt mit historischem Zentrum anzukurbeln. Den Service lässt sich die Kommune etwas kosten: Neben einer einmaligen Lizenzgebühr von 950 Euro zahlt die Gemeinde pro Monat einen Reinigungskostenzuschuss von jeweils 50 Euro an die teilnehmenden Betriebe. Das sind 3000 Euro pro Jahr.

Doch die Ausgaben rechnen sich. „Der Bau einer neuen Toilettenanlage wäre mit Kosten von rund 130 000 Euro wesentlich teurer“, berichtet die städtische Mitarbeiterin. Sie weiß, wovon sie spricht, denn neben dem Rathaus gibt es bereits ein öffentliches WC, das von der Gemeinde betrieben wird. Die Räume stehen allerdings nur als Anlaufstelle zur Verfügung, wenn auch die Behörde geöffnet ist.

Die Nachfrage ist offenbar überschaubar

An Samstagen, Sonn- und Feiertagen sowie in den Abendstunden springen die Gastronomen ein. Auch für sie geht die Rechnung auf. Denn die Unternehmer verbuchen einen Zuschuss für eine Leistung, die in der Regel auch zuvor schon angefallen ist. „Natürlich haben wir noch nie jemanden weggeschickt, der nach der Toilette gefragt hat“, erzählt Joachim Seeger, der Chef des Landgasthofs Rössle. An seinem Betrieb kommt jeder vorbei, der vom Schokoladenhersteller Ritter in die Innenstadt läuft. Der Hotelier stellt fest: „Seitdem der rote Aufkleber an der Tür hängt, ist die Schwellenangst gesunken.“ Trotzdem sei die Nachfrage überschaubar: „Im Schnitt benutzen etwa zehn Personen pro Woche die sanitären Anlagen, die nicht zu den Gästen unseres Hauses gehören.“

Von ähnlichen Erfahrungen berichtet Maria Datilla vom Ristorante Osteria da Maria an der Marktstraße. „Das ist eine tolle Idee. Jeder war doch schon einmal in einer Situation, in der er verzweifelt nach einer Toilette gesucht hat“, sagt sie. Vor allem ältere Leute nutzen laut ihr das Angebot. Der direkte Kontakt bewirke zudem, dass mit den sanitären Anlagen pfleglich umgegangen werde. „Ich habe im Hinblick auf die Sauberkeit noch keine schlechten Erfahrungen gemacht“, stellt Maria Datilla fest.

Mehr als ein Danke bleibt meist nicht hängen

Auch Renate Blum, die die Metzgerei Glasbrenner und den Gasthof Traube betreibt, sowie Luigi Postiglione vom Ritterstüble am Stadion haben ihre „nette Toilette“ bisher nicht bereut. „Das gehört für mich dazu, wenn man sich als kundenfreundliche Gemeinde präsentieren will“, sagt Blum. Außer einem beschwingten Dankeschön bleibt jedoch meist nichts hängen. „Es ist noch keiner dageblieben, um auch noch einen Kaffee zu trinken“, stellt Postiglione fest.

Die positiven Erfahrungen haben in den vergangenen fünf Jahren aber nicht dazu geführt, dass sich weitere Betriebe angeschlossen haben. Vom Start-Quintett – dazu gehört auch die Tennis-Vereinsgaststätte auf dem Hasenhof – ist noch keiner abgesprungen. Auf ein Rundschreiben der Stadt, das an die Fachhändler vor Ort ging, hat sich jedoch niemand mehr gemeldet. Nicole Jassmann lässt nicht locker: „In den nächsten Monaten wollen wir noch einmal einen Aufruf starten.“ Die Marketingexpertin ist überzeugt: Je größer das Angebot sei, desto gastfreundlicher werde Waldenbuch von außen wahrgenommen.