Sehen sich zu unrecht zur Kasse gebeten: Anwohner des Langen Triebs in Waldenbuch. Foto: Thomas Krämer

45 000 Euro sollen Anwohner einer Straße in Waldenbuch für die Reparatur ebendieser Straße bezahlen. Die Stadt setzt darauf, an einem Rechtsstreit vorbeizukommen. Die Betroffenen indes schlagen andere Töne an.

Waldenbuch - Seit einem Dreivierteljahr holpern die Anwohner am Langen Trieb in Waldenbuch nicht mehr über marode, von Flicken und Rissen übersäte Straßen, sondern sie rollen über glatten Asphalt – und sind sehr zufrieden. Inklusive neuer Wasserleitungen und anderer Arbeiten hat die Sanierung der Straße gut 640 000 Euro gekostet. „Die Missstände sind nun beseitigt“, sagte der Bürgermeister Michael Lutz kürzlich während einer Gemeinderatsitzung.

Bis ins Jahr 1873 zurückgeblickt

Schon vor Beginn der Baumaßnahme wurde jedoch darüber gestritten, wer für die Kosten eigentlich aufkommen muss. Um das zu klären, wurde weit in die Vergangenheit geblickt. Schlüsseldatum ist die Baurechtsreform im Jahr 1873. Entscheidend ist unter anderem, ob die Gebäude zu diesem Zeitpunkt zu einem zusammenhängenden Siedlungsgebiet gehörten. Zehn Häuser stehen entlang des sanierten Straßenstücks im Stadtteil Glashütte. Deren Eigentümer hätten ursprünglich alle für die Sanierung bezahlen müssen. Ein Gutachten brachte jedoch entgegen der ursprünglichen Haltung der Stadt dann das Ergebnis, dass man wohl schon von einem zusammenhängenden Siedlungsgebiet sprechen könne. Deshalb sollen nun lediglich drei Grundstückseigentümer zur Kasse gebeten werden. Dem stimmte auch der Gemeinderat einstimmig zu.

Dabei konnte man den Eindruck bekommen, dass die Stadträte aufatmen, dass für sie das Thema nun vom Tisch ist. „Ich bin froh, dass es zu einem Abschluss kommt“, sagt SPD-Stadtrat Walter Keck mit Blick auf eine Geschichte, die nach seinen Worten bereits in den 1990er Jahren begonnen hat.

„Wir wollen niemanden über Gebühr belasten, schließlich habe man auch auf ein kostenintensives Bebauungsplanverfahrens verzichtet“, sagte Lutz während der Sitzung. Es könne auch Härtefallregelungen geben „Aber Eigentum verpflichtet“, bekräftigte der Bürgermeister, der zugleich auf eine Befriedung hofft, und ergänzt: „Die Grundstückseigentümer sollten sich Gedanken machen, ob ein Rechtsstreit sinnvoll ist“.

Sie wollen notfalls vor Gericht gehen

Das machen diese auch, kommen jedoch wohl zu einem anderen Ergebnis, als sich der Bürgermeister vermutlich erhofft hat: Sie setzen auf juristischen Beistand und wollen vor Gericht gehen. Gut 45 000 Euro müssen sie für die Sanierung der Straße bezahlen und kritisieren die aus ihrer Sicht nicht transparente Vorgehensweise der Stadt. „Die Straße war schon lange da, in den Siebzigerjahren wurden die Häuser an den öffentlichen Kanal angeschlossen, und nun entscheidet die Asphaltdicke darüber, ob das eine öffentliche Straße ist oder nicht“, klagen sie.

Boris Manns, der – von der Zahlung nicht mehr betroffene – Sprecher der Anwohner, wirft der Stadtverwaltung vor, nicht ergebnisoffen geprüft zu haben, ob eine Veranlagung überhaupt berechtigt ist. „Es geht uns auch um eine gerechte und transparente Lastenverteilung sowie die Planbarkeit für die Betroffenen“, ergänzt er. Es sei gar nicht absehbar gewesen, was auf sie zukomme. „Wer rechnet denn damit, dass seine Straße nach so langer Zeit noch nicht förmlich erschlossen sein könnte?“, gibt er zu bedenken.

Sie sehen sich ungerecht von Forderungen überzogen

Die Anwohner setzen nun auf Zeit, da sich nach Worten Manns die Rechtssprechung zugunsten der Anwohner verändere. „Der Bürger muss darauf vertrauen dürfen, nach Verstreichen eines längeren Zeitraums nicht mehr mit einer solchen Geldforderung überzogen zu werden“, schreibt Johannes Mascha, der Anwalt der Anwohner und bezieht sich dabei auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2013. „Die Erwartung der Kommunen, die Sanierung bestehender Straßen nahezu vollständig auf den Bürger abwälzen zu können, sei in jüngster Zeit so heftig wie nie zuvor ins Wanken gekommen, ergänzt der Jurist.

Er macht den Anwohnern damit Hoffnung, die gut 45 000 Euro eines Tages wieder zurückzubekommen. Denn bezahlen müssen sie erst einmal, wenn der Bescheid der Stadt Waldenbuch in ihren Briefkasten flattert.