Rentnerin wird wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt. Foto: /Patricia Sigerist

Eine 77-jährige Rentnerin ist vor dem Waiblinger Amtsgericht wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden. Bei dem Verkehrsunfall war ein Motorradfahrer tödlich verunglückt.

Amtsgericht - Es ist einer jener Fälle, bei denen dem Richter die Urteilsbegründung alles andere als leicht fällt. Das zumindest hat der Waiblinger Amtsrichter Armin Blattner am Donnerstag in einem Prozess um einen tragischen Verkehrsunfall einleitend betont. „Wir sprechen hier über zwei Fehlverhalten, die unglücklich aufeinandertreffen – am Ende ist einer tot und die andere sitzt hier und muss sich dafür verantworten.“

Das Unfallopfer war mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs

Das Fehlverhalten einer 77-jährigen Rentnerin bestand darin, dass sie am 24. März des vergangenen Jahres von der Hauptstraße im Waiblinger Teilort Neustadt an einer Stelle nach links abgebogen war, an der dies nicht erlaubt ist. Dabei übersah sie einen entgegenkommenden Motorradfahrer – der, wie ein Gutachter bestätigte, mit mindestens 85 statt der dort erlaubten 50 Stundenkilometer unterwegs war. Es kam zu einem äußerst unglücklichen Zusammenstoß, bei dem sich das Motorrad mit dem Hinterreifen nach oben fast senkrecht aufstellte und den Fahrer über die Straße katapultierte, bevor die Maschine zwei Autos weiter auf einer Windschutzscheibe landete. Für den 48-Jährigen kam jede Hilfe zu spät. Er starb noch an der Unfallstelle.

Der ganze Vorgang ist unstrittig, zumal er durch das Tor einer ansässigen Firma per Überwachungskamera dokumentiert ist. Die Frage war nur, welche Schuld die Autofahrerin an dem tragischen Unglück trägt. Die Anklage lautete auf fahrlässige Tötung und die Staatsanwältin ließ auch nach der Beweisaufnahme in ihrem Plädoyer keinen Zweifel daran, dass man im vorliegenden Fall nicht von einem sogenannten Augenblicksversagen reden könne. Die Frau habe gewusst, dass sie an dieser Stelle nicht abbiegen durfte und habe deshalb vorhersehbar und vermeidbar falsch gehandelt. Auch habe sie damit rechnen müssen, dass ihr ein Verkehrsteilnehmer entgegenkommt – auch mit überhöhter Geschwindigkeit. „85 Stundenkilometer sind hier nicht außerhalb aller Lebenserfahrung.“

Richter: Fehlverhalten, das zum Tod geführt hat

Das hingegen hielt der Rechtsbeistand der 77-Jährigen für eine „skurrile“, nicht nachvollziehbare Aussage: „Die Angeklagte musste damit rechnen, dass ihr jemand mit überhöhter Geschwindigkeit entgegenkommt, der zu schnell Fahrende aber mit korrektem Verhalten aller anderen Verkehrsteilnehmer?“, fragte er.

Natürlich müsse man berücksichtigen, dass der Motorradfahrer mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei, betonte der Richter in seiner Urteilsbegründung. „Wenn er mit dem erlaubten Tempo unterwegs gewesen wäre, wäre der Tag vielleicht anders ausgegangen.“ Gleichwohl habe das Fehlverhalten der Angeklagten ursächlich zum Tod eines Menschen geführt. Sie habe in einem ungünstigen Moment ihre Sorgfaltspflicht außer Acht gelassen und das sei strafrechtlich zu belangen. Auch wenn das Urteil, die Frau muss 90 Tagessätze à 50 Euro bezahlen, den getöteten Menschen nicht wieder lebendig mache.