Jubel über das gute Ergebnis: Es war nicht das einzige Mal, dass die Stuttgarter Sozialdemokraten am Sonntagabend die Arme in die Höhe reckten. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der Sieg bei der Bundestagswahl ist kein gewöhnlicher Gewinn. Viele Parteimitglieder in Stuttgart erleben das gute Ergebnis als eine Art Wiedergeburt einer von manchen schon fast totgesagten Partei.

Stuttgart - Bei der Stuttgarter SPD war seit langen Jahren mal wieder Sekt statt Selters angesagt. Als die ersten Prognosen auf der Leinwand im Club White Noise erschienen, wohin die Kreispartei zur Wahlparty geladen hatte, war kein Halten mehr, Applaus und Jubel brandete hoch. „Jetzt wird richtig gefeiert“, sagte Bundestagskandidatin Lucia Schanbacher an der Seite ihres Kollegen Dejan Perc. An der Decke glitzerte passenderweise eine Discokugel. „Wir sind die stärkste Kraft in Deutschland“, freute sich Schanbacher mit den Anwesenden.

„Wie Weihnachten und Ostern zusammen“

Und so ging es an dem Wahlabend dann auch weiter. Mit jeder neuen Ansage von Ergebnissen auf der Leinwand, die zeigten, dass der neue Aufschwung der Sozialdemokratie sich als fester Trend erwies, jubelten die Genossen. Und zwar mit wachsender Lautstärke. Denn nicht wenige erlebten diesen Wahlabend nicht nur einfach als einen schönen Sieg, sondern eher als eine Art politischer Wiedergeburt.

„Wir Totgesagten leben noch“, brachte die frühere SPD-Stadträtin Judith Vowinkel die Stimmung auf den Punkt. Sie kenne solche guten Wahlergebnisse zwar noch aus der Ära von Willy Brandt. „Aber die Jungen haben das ja noch nie erlebt, für die ist das doch wie Weihnachten und Ostern zusammen“, freute sich Vowinkel. Derweil die Genossinnen und Genossen „Olaf, Olaf“ skandierten, als der Kanzlerkandidat auf der Leinwand seinen ersten Fernsehauftritt hatte nach dem Wahlsieg.

Lob der Geschlossenheit

Der Fraktionsvorsitzende der SPD im Stuttgarter Gemeinderat, Martin Körner, ließ sich ganz entspannt ein Bier schmecken. „Seit 15 Jahren habe ich vor allem Niederlagen erlebt“, gab er zu. „Da ist es für die Psyche schon gut, wenn man eine wichtige Wahl mal wieder gewinnt.“ Auch er zog aus dem Abend den Schluss: „Viele hatten uns schon abgeschrieben – aber die SPD ist wieder da.“ Das sei zum einen der Stärke von Olaf Scholz zu danken, sagte Körner, aber auch das Programm der SPD habe eben viele überzeugt. Und Martin Körner lobte die große „Geschlossenheit der Partei“.

Auch Ute Vogt, die noch für die SPD im Bundestag sitzt, aber nicht mehr zu Wahl angetreten war, freute sich riesig über das Ergebnis. „Das wäre traumhaft“, sagte sie und zeigte kurz nach 18 Uhr auf ihr Handy mit den ersten Ergebnissen. „Man kann im Wahlkampf noch was drehen“, das ist für Ute Vogt die wichtige Erkenntnis dieser Wahl. Auch sie lobte „die klasse Auftritte von Olaf Scholz“ und den „sehr gut vorbereiteten Wahlkampf“ der Sozialdemokraten.

Lockerung von Hartz IV

Nach den zurückliegenden Jahren haben manche Sozialdemokraten den Wahlabend auch ein bisschen als Genugtuung erlebt. Zu Beginn des Wahlkampfs, als alle nur auf ein Duell von Grünen und Union gesetzt hätten, „da hat man uns ja belächelt“, sagte Kandidat Dejan Perc, der selbst zu diesem Zeitpunkt davon ausging, dass er mit seinem Listenplatz 30 keine Chance auf einen Einzug in den Bundestag hat. Er ist froh, dass die SPD durch die Themen Bürgergeld, Lockerung des Hartz-IV-Systems, Mindestlohn, Wohnen und Rente auch Wähler von der Linken „wieder zurückholen konnte“. Und: „Die Partei war geschlossen wie nie – ich bin hochzufrieden“, sagte der Kreisvorsitzende

Lucia Schanbacher gehörte an diesem Abend zu den vielen lachenden Gesichtern im White Noise. „Die Leute wollen einen Aufbruch“, ist ihre Schlussfolgerung aus dem Bundesergebnis für die SPD. Jetzt gehe es um „ganz große Weichenstellungen in die Zukunft“, betonte sie. Dass man dies erreicht habe, sei angesichts eines „deutlich geringeren Wahlkampfbudgets“ nicht zuletzt den vielen Ehrenamtlichen der Partei zu danken, „die das ausgeglichen haben“.

Sekt für die vielen Helfer

Als Dankeschön an die vielen Helfer der Kampagne in Stuttgart gab’s auch ein Gläschen Sekt für alle. „Jetzt wollen wir euch mal bedienen“, sagte Lucia Schanbacher, bevor sie und Dejan Perc mit Tabletts von Tisch zu Tisch gingen. „Auf uns!“, prostete Lucia Schanbacher einigen Leute aus dem Wahlkampfteam zu. „Das ist eine Teamleistung, das muss man hier schon mal sagen“, erklärte sie. Beim Verteilen des Sekts ging auch ein Glas zu Bruch. Aber Scherben bringen bekanntlich Glück.