Glühende Verehrung: eine Anhängerin des türkischen Präsidenten Erdogan bei dessen Wahlkampf-Auftritt in Sarajevo Foto: AFP

Während seine Anhänger den türkischen Präsidenten bei dessen Wahlkampf-Auftritt in Sarajevo feiern, kritisieren Gegner die „Kirmeskundgebung“.

Sarajevo - Willig übernahm Bosniens mächtigster Mann die Rolle des Anheizers für den Ehrengast.   „Ihr habt einen Mann, den euch Gott geschickt hat. Sein Name ist Recep Tayyip Erdogan!“, rief Bakir Izetbegovic, der muslimische Vertreter in Bosniens dreiköpfigen Staatspräsidium, den jubelnden Anhängern des türkischen Präsidenten in der voll besetzten Zetra-Halle in Sarajevo zu: „Türken aus ganz Europa, ihr seid auf der richtigen Seite! Auf der Seite eures Führers, der Türkei und des Siegs!“

In EU-Staaten wie Deutschland, Österreich und den Niederlanden sind Wahlkampfauftritte türkischer Politiker verboten. Deshalb machten sich tausende Auslandstürken aus ganz Europa am Pfingstwochenende in die Hauptstadt des EU-Anwärters Bosnien auf, um ihr Idol vor den türkischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am 24. Juni in dessen Ausweichquartier zu feiern. 5000 Erdogan-Fans waren alleine aus Deutschland, rund 2000 aus Österreich angereist. Aber auch Anhänger der von Gastgeber Izetbegovic geführten Partei SDA machten für den gefeierten „Sultan“ das Gastspiel in Sarajevo zum Heimspiel.   „Seid ihr bereit, den Terrororganisationen und ihren Handlangern eine osmanische Ohrfeige zu verpassen und mich mit einer Rekordzahl von Stimmen zu unterstützen?“, fragte Erdogan rhetorisch seine verzückten Anhänger.

Erdogan untermauert die türkischen Ambitionen

Diejenigen Staaten, die sich als Wiege der Demokratie betrachteten, aber seine Auftritte verbieten würden, hätten „die Prüfung nicht bestanden“, wetterte der Autokrat: „Seid ihr bereit, der ganzen Welt die Stärke der europäischen Türken zu demonstrieren? Gebt von Deutschland, Belgien, Österreich, den Niederlanden aus eine Antwort, die überall in Europa gehört werden kann!“

Wegen einer angeblichen Anschlagsdrohung verzichtete Erdogan in der Stadt des Attentats auf den österreichischen Kronprinzen Franz-Ferdinand zwar auf den geplanten Basarrundgang. Doch die Bosnienmission hat sich für ihn trotzdem gelohnt. Seinen Landsleuten konnte er sich als ein auch jenseits der Landesgrenzen gefeierter Staatenführer präsentieren, die Werbetrommel für den im Vorwahlkampf stehenden Partner Izetbegovic rühren – und gegenüber der EU die türkischen Ambitionen auf dem Westbalkan untermauern: Großzügig kündigte er die Finanzierung einer Autobahn ins serbische Belgrad an.

Bosnien befürchtet „negative Konsequenzen“

Gemischt fällt hingegen die Bilanz seiner Blitzvisite für die Gastgeber aus. Die Position von SDA-Chef Izetbegovic gegenüber seinen innerparteilichen Widersachern hat sich dank Erdogan zwar wieder gestärkt. Doch nicht nur bei Politikern der kroatischen und serbischen Minderheit, sondern auch der muslimischen Bosniaken stößt die versuchte Neu-Osmanisierung des zerrissenen Vielvölkerstaats auf Kritik und Unbehagen.   „Negative Konsequenzen“ für die Souveränität des Landes befürchtet Nermin Niksic, Chef der oppositionellen SDP: „Statt den Weg in Richtung EU zu beschleunigen, organisiert die SDA eine Kirmeskundgebung, auf der das Volk vasallengleich Erdogan zu vergöttern hat.“

„Schamlose Manipulationen“ bescheinigt der Politologe Mile Lasic sowohl Izetbegovic als auch Erdogan. Bosnien habe sich mit Erdogans Auftritt „mehrere weitere Schritte“ von der EU entfernt: „Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde.“