2014 hätte eine Partei der Nichtwähler erstmals ihre absolute Mehrheit feiern können. Foto: factum

Das Interesse an den Kommunalwahlen schwindet seit 20 Jahren. Die Freien Wähler erfreuen sich hingegen stetig steigenden Zuspruchs.

Böblingen - Der Aufruf lässt sich als Notruf deuten. Es dürfte die einzige Gemeinsamkeit zwischen den Sindelfinger Rappern der Fam-Gang und dem Böblinger Landrat Roland Bernhard bleiben, dass sie zum Wählen auffordern. „Wenn Du nicht wählst, bestimmen andere über Dich“, texten die Rapper. Bernhard lässt seine Pressestelle titeln: „Ihre Stimme zählt!“ Auf dass das Ausrufezeichen – der Donnerschlag der Formulierungsschwachen – die Dringlichkeit herausposaune.

Bei den Kommunalwahlen vor fünf Jahren hätte eine Partei der Nichtwähler erstmals seit Bestehen Baden-Württembergs ihre absolute Mehrheit feiern können. Im gesamten Land genauso wie im Landkreis bekundeten nur noch 49,1 Prozent der Wahlberechtigten mit ihren Kreuzen ihren politischen Willen.

Landkreismeister des politischen Interesses war Altdorf

Die geringste Neigung zur Stimmabgabe bewiesen mit einer Beteiligung von 40,8 Prozent die Böblinger. Landkreismeister des politischen Interesses war Altdorf. Dort wählten 62 Prozent der 4650 Einwohner. Das Interesse nimmt seit den Neunzigern stetig ab. 1999 sank die Beteiligung bei der Kommunalwahl erstmals deutlich unter die Marke von 60 Prozent, und zumindest der müde Wahlkampf im Kreis deutet nicht auf eine Wende hin.

Mit dem Aufstieg der Nichtwähler ging der Aufstieg von Nichtparteien einher: der Wählervereinigungen, allen voran der Freien Wähler. Lokale Daten über sie sind nicht einfach zu bekommen, denn das Statistische Landesamt ignoriert sie – ausgerechnet. In Herrenberg sind die Freien Wähler die stärkste Kraft, in Sindelfingen, Böblingen und Leonberg die zweitstärkste hinter der CDU. Im Böblinger Kreistag stellen die Freien Wähler mit 30 von 84 Sitzen die mit Abstand größte Fraktion. Dahinter folgt die CDU mit 22 Sitzen.

Die amtlichen Statistiken weisen die Freien Wähler nicht gesondert aus

Die amtlichen Statistiken weisen die Freien Wähler gemeinsam mit anderen Vereinigungen aus, was durchaus zu Verzerrungen führt. In diese Kategorie fallen die Herrenberger Frauenliste, die Leonberger Initiative Salz, die CDU-Abspaltung Bürger für Böblingen und etliche lokale Initiativen wie die Freie Liste Nufringen oder die Deckenpfronner Liste Unabhängiger Bürger. Aus der Gesamtheit ihrer aller Wahlergebnisse lässt sich durchaus eine gewissen Parteienverdrossenheit ablesen. 1989 erreichten die Wählervereinigungen erstmals die 30-Prozent-Grenze. Seither stieg der Zuspruch stetig.

Im Gegenzug lässt sich auch aus den Zahlen für den Landkreis der Niedergang der Volksparteien ablesen. Die CDU erfreute sich zuletzt mit gut 27,3 Prozent eines Zwischenhochs, blieb damit aber knapp unter dem Landesschnitt. Die SPD ging seit 1999 stetig darnieder und dümpelt haarscharf über 15 Prozent, damit sogar deutlich unter dem landesweiten Ergebnis. Überdurchschnittlicher Beliebtheit erfreuen sich hingegen die Grünen. Die Partei erzielte im Landkreis seit 1999 stets bemerkenswert bessere Ergebnisse als im Land. 2014 gelang ihr erstmals der Schritt über die 13-Prozent-Marke.