Ministerpräsident Michael Kretschmer lag in Sachsen mit der CDU vor der AfD – wenn auch nur knapp. Foto: dpa

Die aufwühlenden Wahlen in Potsdam und Dresden sind vorbei. CDU und SPD wirken zugleich erleichtert und geschwächt: Jeder hat „seine“ Staatskanzlei verteidigt. Doch auch in Berlin sollen noch Lehren gezogen werden.

Berlin - In Sachsen und Brandenburg können die amtierenden Ministerpräsidenten auch die neue Regierung bilden. Also noch mal gut gegangen? So einfach ist das nicht. Die Doppelwahl in den beiden Ost-Ländern hat die politische Gemengelage aufgemischt - spürbar bis Berlin. SPD und CDU müssen wieder Einbußen wegstecken und ringen um Antworten. Dabei ist die schwarz-rote Koalition im Bund gerade in einer vertrackten Selbstfindungsphase. Und was folgt aus den enormen Zugewinnen für die AfD, die zur zweitstärksten Kraft im Osten wird?

Neue Nähe-Bekenntnisse

Eigentlich klingt es naheliegend, für Volksparteien zumal. Doch in der CDU preisen am Montag viele die „Methode“, mit der Ministerpräsident Michael Kretschmer in Sachsen doch noch Platz eins für die Union verteidigte: „Zuhören, Probleme benennen und angehen. Das ist das Rezept“, sagt Unions-Fraktionsvize Carsten Linnemann (CDU). Kretschmer selbst empfiehlt, „Filterblasen“ im Internet direkte Kontakte entgegenzusetzen. „Ran an die Gespräche. Dahin gehen, wo es wehtut.“ Juso-Chef Kevin Kühnert verlangt mehr Präsenz der Parteien jenseits der AfD gerade im Osten. „Es gibt Ecken in Sachsen, da muss man sich ins Auto setzen und zwei Stunden fahren, um zu dem nächsten Büro einer demokratischen Partei zu kommen.“

Abgrenzen oder profilieren?

Nicht nur der Union stellt sich die Frage nach dem strategischen Umgang mit der AfD. „Die SPD hat in ihrer DNA, dass sie sich immer gegen Rechtsextremismus gestellt hat“, macht die Interims-Vorsitzende Manuela Schwesig klar. Auch CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer betont: „Wir halten den Kurs der klaren Abgrenzung.“ Zugleich gelte: „Wir kämpfen um jeden Wähler.“ Manche raten, sich nicht an anderen Parteien abzuarbeiten. „Wir brauchen keine Taktik-Diskussionen“, sagt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Die CDU müsse einen umfassenden inhaltlichen Plan für die Zwanzigerjahre vorlegen - zu Digitalisierung, Klima, Sicherheit.

Trennen oder liefern?

Konkrete Lösungen haben sich Union und SPD nicht zum ersten Mal in der gemeinsamen GroKo vorgenommen - nun soll es wieder schnell in den Handlungsmodus gehen. Noch am Montagabend wollten die Koalitionsspitzen über das zentrale Thema Klimaschutz beraten. Denn schon bald, am 20. September, soll dazu ein großes Gesamtpaket stehen - und die Erwartungen sind hoch. „Wir müssen jetzt liefern“, mahnen Schwesig und CSU-Chef Markus Söder fast unisono. Eine ungelöste Dauerbaustelle ist daneben auch die Grundrente. Allerdings hat die SPD gerade ihre eigene Agenda: Die Blicke richten sich auf Mittwoch, wenn 17 Kandidaten im Rennen um den Parteivorsitz zu 23 Regionalkonferenzen starten. Eine schwarz-rote Halbzeitbilanz soll auch noch klären, ob sich die GroKO überhaupt eine Zukunft gibt.

Grüne zwischen den Polen

Für die zuletzt erfolgsverwöhnten Grünen fühlt sich die Doppelwahl speziell an. Ja, es gab Zugewinne im bisher schwierigen Osten. Aber so hoch hinaus wie in bundesweiten Umfragen mit 20 Prozent plus x ging es nicht. Dass sie in beiden Ländern in unterschiedlichen Konstellationen als Mehrheitsbeschaffer gefragt sein könnten, macht die strategische Positionierung nicht ganz leicht: In Brandenburg mit SPD und Linken, in Sachsen mit SPD und CDU? Parteichef Robert Habeck schwanen „schwierigste Verhandlungen“ mit den konservativen Christdemokraten in Dresden. Gibt es eine rote Linie? „Ein Atomkraftwerk bauen“, scherzt er am Wahlabend. Und fügt am Tag danach an, die CDU werde „einige Aussagen kassieren müssen“.

Was die Stärke der AfD bedeutet

Die AfD präsentiert sich nach kräftigen Zugewinnen selbstbewusst - als zweite Kraft mit mehr als 20 Prozent in nunmehr vier Ost-Ländern. Parteichef Alexander Gauland versucht denn auch, die Formel von der AfD als einer „bürgerlichen Partei“ zu untermauern. Dabei werden die Landesverbände in Brandenburg und Sachsen eher dem rechtsnationalen „Flügel“ zugerechnet. Vor allem in Sachsen ist die AfD indes keine reine Protestpartei mehr, wie die Forschungsgruppe Wahlen analysiert. Um einen „Denkzettel“ ging es 28 Prozent der AfD-Wähler, 70 Prozent um Inhalte. Thüringens MP Bodo Ramelow (Linke), der am 27. Oktober zur Wahl steht, findet es schon verwunderlich, „dass eine von westdeutschen Professoren gegründete Partei mit westdeutschem Führungspersonal nun die ostdeutsche Seele streichelt“.