Betretene Gesichter bei der CDU: der künftige Bundestagsabgeordnete Marc Biadacz (Mitte) mit seiner Frau Tine Stierle und dem Landtagsabgeordneten Paul Nemeth (rechts) Foto: factum/Granville

Bei der SPD werden Wunden geleckt, die FDP feiert ohne ihren Sieger und die AFD verzichtet auf eine Feier im Wahlkreis: Eindrücke von den Parteiversammlungen am Wahlabend im Kreis Böblingen.

Böblingen/Sindelfingen - Die großen Gewinner der Bundestagswahl feiern im Kreis Böblingen nicht. Denn ihr Kandidat Markus Frohnmaier ist in Berlin bei der großen Wahlparty der AfD. Begleitet wird er von zwei Fernsehteams: Arte und ABC news, die eine Dokumentation über ihn drehen. Zudem steht er bei RTL2 Rede und Antwort. Sehr zufrieden ist er mit dem Ergebnis seiner Partei, das auch ihn persönlich in den Bundestag befördert. „Endlich haben die Bürger wieder eine Alternative im Parlament, nachdem viele Jahre lang ein Konsens herrschte“, sagt er zufrieden.

Zufrieden sind auch die Freien Demokraten. Groß ist der Jubel im Sindelfinger Restaurant Bona vita, als um 18 Uhr die erste Wahlprognose über den Bildschirm flimmert. Etwa 40 Anhänger feiern hier den Wiedereinzug in den Bundestag. Doch die Hauptperson der Veranstaltung fehlt. Florian Toncar, der demnächst den Wahlkreis in Berlin vertreten wird, steht auf der Autobahn im Stau. Zwanzig Minuten nach 18 Uhr trifft Toncar bei der Party ein, wird mit Geschenken überhäuft. Doch zum Feiern bleibt ihm nur wenig Zeit. „Morgen fliege ich um 6.40 Uhr mit dem ersten Flieger nach Berlin. Wir müssen jetzt eine Fraktionsstruktur aufbauen“, sagt er.

Betretenes Schweigen bei der CDU

Gespannt, aber relativ siegessicher, sind die Christdemokraten im Böblinger Paladion vor der ersten Wahlprognose. Eine fulminante Wahlparty soll dort steigen. Doch als die ersten Zahlen über die Leinwand flimmern, ist Gemurmel im Saal, bei manchen herrscht betretenes Schweigen. Nach der ersten Prognose verliert die CDU gegenüber dem letzten Mal 7,6 Prozent und die AfD kommt auf 13,5 Prozent. Biadacz hatte auf 36 oder 37 Prozent für Angela Merkel gehofft und auf die Ablösung der Großen Koalition: „Die Bürger wollen das.“ Er könne sich auch eine Jamaika-Koalition vorstellen, sagt er.

Kurz danach fällt der Ton der TV-Übertragung aus. Biadacz tritt ans Mikrofon und gesteht, er sei mega aufgeregt: „Das ist wie Einschulung, Führerscheinprüfung und Hochzeit zugleich.“ Und zur technischen Störung meint er: „Wir sehen, dass wir künftig ein Ministerium für Digitales brauchen.“ Später zeigt sich Biadacz mit seinem gewonnenen Direktmandat und 38,8 Prozent der Erstimmen zufrieden.

Als „realistisch“ beschreibt Jasmina Hostert am Sonntagabend ihre Stimmung. Die ersten bundesweiten Hochrechnungen nimmt sie deshalb gefasst auf. „Ich bin natürlich enttäuscht über das SPD-Ergebnis“, sagt sie bei der Wahlparty ihrer Partei in Sindelfingen-Maichingen. „Wir haben alles gegeben und einen intensiven Wahlkampf geführt.“ Das Ergebnis interpretierte sie als eine klare Absage an die große Koalition mit der CDU. Dass die SPD in die Opposition geht, hält die 34-Jährige für den richtigen Weg: „Wir müssen uns erneuern, unsere Ziele und Inhalte schärfen“, sagt Jasmina Hostert. Ihr sei ein Stein vom Herzen gefallen, als die Berliner Parteispitze diesen Schritt im Fernsehen verkündet habe. Ein kleiner Trost für sie: „Die Union hat es auch hart getroffen.“

Die Grünen jubeln verhalten

Verhalten jubeln die Grünen. „Wir haben besser abgeschnitten als die Prognosen es vorausgesagt haben“, sagt der Kandidat Tobias Bacherle. „Aber das Ergebnis der AfD trübt unsere Stimmung.“ Bacherle selbst wusste schon vor der Wahl, dass es für ihn nicht reichen wird. „Jetzt kann ich mich auf mein Studium konzentrieren“, sagt der 22-Jährige. Und macht klar: „In vier Jahren trete ich wieder an.“ Stolz ist er auf die Kampagne der Grünen im Wahlkreis. „Da haben wir wirklich gut gemacht.“

Eher gedämpft ist die Stimmung auch bei den Linken im Böblinger Arbeiterzentrum, obwohl die Partei etwas besser abgeschnitten hat als vor vier Jahren. Doch auch hier herrscht Entsetzen über das Abschneiden der AfD. Hinzu kommt, dass der bisherige Abgeordnete Richard Pitterle wegen der schlechten Platzierung auf der Landesliste nicht mehr einziehen wird. Auch er plant einen neuen Versuch in vier Jahren.