Die Landeshauptstadt blüht auf - im Dezember. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Die Natur hat es vor den Statistikern des Wetterdiensts in Stuttgart gespürt: Mit bis dato 7,3 Grad im Schnitt ist dieser Dezember der wärmste in Stuttgart seit 1951. Deshalb blühen bereits die Bäume und sprießen Blumen. Zum Jahreswechsel machen fallende Temperaturen allerdings Schluss mit dem Vorfrühling.

Stuttgart - In der Wilhelma blühen noch die Rosen. Und im Schlossgarten hat Micha Sonnenfroh bereits den betörenden Duft des Winterschneeballs eingesogen. „Das ist außergewöhnlich“, stellt der Chefgärtner des zoologisch-botanischen Gartens fest. Denn die Rosen müssten längst verblüht sein, und der Winterschneeball könnte sich normalerweise noch mindestens vier Wochen Zeit mit der Blüte lassen.

Doch Durchschnittstemperaturen von 7,3 Grad, die immerhin 5,8 Grad über dem langjährigen Mittelwert liegen, und ein extrem warmer 14. Dezember mit 15,5 Grad versetzen die Natur in Frühlingsstimmung: Gänseblümchen, Schneeglöckchen und Primeln strecken in den Parks der Landeshauptstadt und in Gärten ihre Köpfe aus der Erde. Magnolien treiben Knospen. Und ein Leser unserer Zeitung schickte uns von seinem Weihnachtsspaziergang das Foto einer japanischen Zierkirsche in Korntal, die bereits in voller Blüte steht. „Auch die blüht normalerweise erst Ende Januar, Anfang Februar, stellt Sonnenfrohs Kollege Harald Aust vom Garten-, Friedhofs- und Forstamt der Stadt fest. Dass jetzt auch die Haselnuss blüht, spüren vor allem die Allergiker, denn die Pollen sind wieder unterwegs.

Um die Jahreswende fallen die Temperaturen

Was aber kann passieren, wenn die Vegetation aus dem Takt gerät und verrücktspielt? Um die Zierpflanzen machen sich beide Gärtner wenig Sorgen. „Bei den Magnolien könnten bei Kälteeinbruch die Blüten erfrieren, braun werden und abfallen“, sagt Aust. Und Sonnenfroh geht davon aus, dass sich die Dinge richten: „Die Natur hilft sich derzeit selbst. Die Frostnächte lassen die Vegetation wieder zur Ruhe kommen. Und die Tage mit ihrer Wärme sind ja relativ kurz.“

Wird es, wie die Stuttgarter Wetterexperten voraussagen, zum Jahreswechsel mit Temperaturen um sieben Grad kühler , passiert auch den Blumen nicht viel. „Den Nachtfrost werden die Gänseblümchen, Primeln und andere vorwitzige Blüher nicht überleben, aber die kommen ja in Mengen nach, so dass auch im Frühjahr genügend blühen werden“, sagt Bernhard Nanz, Leiter der städtischen Obstbauberatung. Fällt Schnee, schützt der sogar die vorwitzigen jungen Pflanzen vor Frost. Probleme könnte es jedoch beim Obstgehölz geben.

Die Befürchtung bestätigt auch Andreas Bezler. Der Agraringenieur ist selbst Obstbauer in Stuttgart und sieht möglicherweise schon jetzt die Pfirsichbäume in Gefahr. „Schwellen die Knospen, dann lösen sich die Knospenschuppen, und bei länger anhaltendem Regen kann ein Pilz eindringen und die Kräuselkrankheit auslösen, bei der die Blätter zusammenschrumpeln“, sagt Bezler und stellt fest, dass man jetzt eigentlich spritzen müsste. „Die Spritzen und Spritzmittel sind jedoch eingelagert und werden wegen der paar Pfirsichbäume nicht rausgeholt.“

Frühblüher sind in Gefahr

„Verheerend“ vor allem für Frühblüher wie Aprikose und Alexander-Lucas-Birne wären auch plötzliche hohe Minustemperaturen, die die Blüten in den Knospen erfrieren lassen, sagt Bezler und erinnert sich an den Winter 2012. „Da war es auch mild. Dann sind die Temperaturen schlagartig auf minus 15 Grad gefallen, so dass die Blüten erfroren sind und es Ernteeinbußen gab .

Nach den Vorhersagen des Deutschen Wetterdiensts in Stuttgart wird es in den kommenden Tagen zwar kühler, aber mit einem für die Vegetation bedrohlichen Temperatursturz ist nicht zu rechnen. Diplom-Meteorologin Sarah Jäger rechnet mit etwa 7 Grad am Tag, leichtem Frost nachts, Wolken und an Neujahr mit Regen. Damit, dass dieser Dezember durch die beiden letzten Tage des Jahres noch seine Spitzenstellung als wärmster Dezember seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor 64 Jahren verlieren könnte, rechnet sie nicht.