Das Wachs beeinflusst die Geschwindigkeit der Athleten in der Anlaufspur – wie auch beim Olympiasieger Andreas Wellinger. Foto: AFP

Horst Schöll aus Laichingen berät die olympischen Skisprung-Teams in Fragen rund ums Wachs. Sein Wachs entwickelte er noch zu Hause im Keller – heute kann es den entscheidenden Unterschied bei den Sprüngen machen.

Pyeongchang - Es gibt die Dolmetscherin aus dem bayerischen Wald, den Eventmanager aus dem Allgäu, den Pistenbauer aus dem Schwarzwald. Leute, die bei den Winterspielen arbeiten. Die nur ein kleines Rädchen in der gewaltigen olympischen Maschinerie sind, sich aber doch an der richtigen Stelle befinden müssen, damit alles wirklich reibungslos funktioniert. Wie Horst Schöll.

Eigentlich kann er es sich nicht leisten, zwei Wochen in Südkorea zu sein. Daheim in Laichingen führt er eine Produktionsfirma für Sportbekleidung, die Aufträge stapeln sich. Er ist trotzdem hier, als Vertreter des Ludwigsburger Wachs-Unternehmens Holmenkol. Freiberuflich, aber mit viel Herzblut. „Olympia ist mein Hobby und meine Berufung“, sagt der 59-Jährige, „ich genieße es sehr, kleiner Teil eines so großen Events zu sein.“ Er erlebt seine siebten Spiele, seit 1985 war er bei allen nordischen Ski-Weltmeisterschaften und bei jeder Vierschanzentournee dabei.

Horst Schöll ist ein Tüftler

Logisch, dass er alle kennt. Und jeder ihn. Zum Beispiel die Mutter von Andreas Wellinger. Vor ein paar Jahren nahm sie Schöll zur Seite, bat ihn, auf ihren Bub aufzupassen. Und ihr sofort Bescheid zu geben, falls der Sohnemann nicht mehr nur auf der Schanze abhebe, sondern auch im wirklichen Leben. Wofür es keinerlei Anzeichen gibt. Im Gegenteil. „Er ist ein toller Junge“, sagt Horst Schöll, „und er wird es auch bleiben.“

Der Wachs-Spezialist aus Ludwigsburg kann es einschätzen. Denn er muss von Berufs wegen ein gutes Gefühl für die Athleten entwickeln. Und für deren Ski. Der frühere Langläufer hat nicht nur enorm viel Erfahrung, sondern ist auch ein Tüftler.

Am Ende kann das Wachs den entscheidenden Vorteil bringen

Das Wachs LF 21 von Holmenkol, das alle großen Skisprung-Teams verwenden, entwickelte er bei sich zu Hause im Keller. In einem Topf auf der Herdplatte. Jetzt ist es ein Faktor, der die Geschwindigkeit der Athleten in der Anlaufspur beeinflusst – neben dem Gewicht, dem Belag und der Hockposition des Springers und dessen Skitechnik. Die Faustformel: Ein Stundenkilometer mehr bringt zwischen drei und fünf Meter Weite. „Weil durch die Reibung unter dem Ski eine Temperatur von bis zu 160 Grad entsteht, muss das Wachs extrem wasserabstoßend sein“, erklärt Horst Schöll, „am Ende kann es den entscheidenden Vorteil bringen.“

Er berät die Serviceleute der Teams, geht in den Wachscontainern ein und aus. Schöll kann sich noch gut an die Zeit erinnern, als die Springer selbst für ihre Ski verantwortlich waren, mit eigenen Wachskoffern reisten. „Damals passierte alles aus dem Bauch heraus“, sagt er, „heute geht es um das kleinste Detail.“ Die Deutschen hatten in Pyeongchang alles im Griff, Andreas Wellinger ist der erfolgreichste Skispringer der Spiele. Horst Schöll ist zufrieden. Auch wenn er nur ein kleines Rädchen ist.