Der Kabarettist Christoph Sonntag ist im Südwesten bekannt. Foto:  

Dem Kabarettisten wird vorgeworfen, im Rahmen eines Jugendprojekts Landesgelder abgezweigt zu haben. Verantwortlich für die Projektabwicklung war die Landeszentrale für politische Bildung.

Stuttgart - Bei den Vorgängen rund um den Kabarettisten Christoph Sonntag und sein Projekt „A-B-C-D-E-Mokratie neu buchstabiert!“ wirft auch die Rolle der Landeszentrale für politische Bildung Fragen auf. Sonntag hat für Jugendworkshops zur Demokratieförderung in den Jahren 2018 und 2019 bislang rund 260 000 Euro vom Landessozialministerium erhalten. Seine Noch-Ehefrau wirft ihm vor, einen Teil des Geldes für persönliche Zwecke genutzt zu haben.

Mit der Abwicklung des Projekts hatte das Sozialministerium die Landeszentrale für politische Bildung beauftragt. Die Zentrale hat unter anderem bei der Ausarbeitung des Konzepts und bei der Bewerbung der Veranstaltung beraten, wie der stellvertretende Direktor der Landeszentrale Karl-Ulrich Templ unserer Zeitung mitteilte. Für die Betreuung des Projekts erhielt die Landeszentrale nach eigenen Angaben 50 000 Euro vom Sozialministerium.

Landeszentrale bat um Fortsetzung

Das Ungewöhnliche: Anders als das Sozialministerium will die Landeszentrale für politische Bildung keinerlei Ungereimtheiten bei dem Projekt bemerkt haben. Im Februar 2019 bat Templ den Sozialminister in einem Brief um eine Verlängerung der Finanzierung, da diese bis zum 31. Juli begrenzt war.

„Ich würde mich sehr freuen, wenn eine Fortsetzung der Finanzierung dieses aus meiner Sicht ungewöhnlichen und innovativen Projektes möglich wäre“, heißt es in dem Brief. Im Sozialministerium fand die Bitte kein Gehör. Stattdessen hatte der Vorstoß einen ganz anderen Effekt. Offenbar gab just der Verlängerungsantrag im Ministerium Anlass, das Projekt kritisch zu beleuchten.

„Mögliche Ungereimtheiten“

„Bei der Prüfung des Verlängerungsantrags der Landeszentrale für politische Bildung durch das Sozialministerium sind im Frühjahr diesen Jahres (...) mögliche Ungereimtheiten aufgefallen“, teilte ein Ministeriumssprecher unserer Zeitung mit. Das Projekt wird nun geprüft, die Finanzierung wurde nicht verlängert.

Doch wie kann es sein, dass die Landeszentrale selbst, die ja als betreuendes Organ noch viel besser mit dem Projekt vertraut sein dürfte als das Sozialministerium, besagte „Ungereimtheiten“ nicht bemerkte und vielmehr um eine Verlängerung bat? Die Antwort der Landeszentrale fällt knapp aus. Als der Brief an den Minister und der Zwischenbericht verschickt wurden, seien keine Ungereimtheiten bekannt gewesen.

Für offene Fragen sorgt zudem, wie Christoph Sonntag nach Erhalt des Geldes weiter damit verfahren ist. Einem Bericht der „Stuttgarter Nachrichten“ zufolge soll Sonntag den Betrag auf mehrere Firmen, darunter auch das Firmenkonto seiner Noch-Ehefrau, aufgesplittet haben. Die Landeszentrale für politische Bildung bestätigt, dass ihr das Splitting bekannt gewesen sei. „Die Aufträge an mehrere Firmen/Agenturen wurden unseren Informationen zufolge nicht aufgeteilt, um die Bestimmungen des Vergaberechts zu umgehen, sondern um unterschiedliche Leistungen und Tätigkeitsfelder sachgerecht abzudecken“, teilte die Landeszentrale auf Anfrage mit.

Die Kalkulation des Projekts

Insgesamt 19 Demokratie-Eventtage und mehr als 10 Demokratiewochen wurden nach Auskunft der Landeszentrale bislang im Rahmen des Projekts durchgeführt. Im Schnitt hätten bei den Demokratietagen jeweils 14 Jugendliche, bei den Demokratiewochen jeweils 21 Jugendliche teilgenommen.

Von den Ausgaben über rund 260 000 Euro war nach Angaben der Landeszentrale der größte Posten für das Honorar der Betreuer eingeplant, die die Workshops durchführten. Hierfür wurden 49 000 Euro veranschlagt, für die pädagogische Leitung des Projekts werden wiederum 41 000 Euro aufgeführt.

Miete für Sonntags Keller berechnet

Für Foto- und Videodokumentation sowie Presse- und Social-Media-Arbeit wurden insgesamt 30 000 Euro einkalkuliert. Zudem umfasst der Posten „Miete“ 30 000 Euro. Dieser Betrag war unter anderem auch für die Anmietung des Theaterkellers von Christoph Sonntag vorgesehen, teilte die Landeszentrale auf Anfrage mit. In einer online verfügbaren Ausschreibung wird als „Höhepunkt“ der Workshops ein auf die Jugendlichen zugeschnittenes Kabarettprogramm von Christoph Sonntag genannt.

Auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart prüft den Fall nun. Ein Prüffall ist noch keine Ermittlung. Bislang werde lediglich untersucht, ob ein Anfangsverdacht vorliegt, der wiederum als Voraussetzung für eine Ermittlung notwendig wäre, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft. „Umso mehr gilt die Unschuldsvermutung“, sagte der Sprecher. Bis wann die Prüfung dauern werde, könne man derzeit nicht sagen.

Christoph Sonntag bezeichnet die Vorwürfe als „haltlos“ und „aus der Luft gegriffen“. Sie seien im Rahmen einer familienrechtlichen Auseinandersetzung entstanden. Sämtliche Gelder für das Projekt seien satzungsgemäß verwendet worden. So steht es in einer Mitteilung der gemeinnützigen GmbH „Stiphtung Christoph Sonntag“ von Ende Juli.