Bernd Riexinger Foto: dpa

Die üppigen Bezüge des Bundesvorsitzenden Klaus Ernst überschatten den Vorwahlkampf.

Stuttgart - Voller Optimismus startet die Linkspartei in den Vorwahlkampf. Der Einzug in den kommenden Landtag ist realistisch. Wenn nur das Problem mit dem gut verdienenden Parteivorsitzenden nicht wäre. Hinzu kommen personelle Querelen im eigenen Landesverband.

Die schwarz-weiß-roten Pamphlete, die in ihrer optischen Aufmachung bis vor kurzem noch an die DDR erinnerten, haben offenbar einen Relaunch hinter sich. Jedenfalls kommen die Flugblätter und Kampfschriften, die sich auf den Tischen im Landesbüro der Linkspartei in der Stuttgarter Marienstraße stapeln, nicht mehr ganz so düster daher. An den Inhalten hat sich freilich nicht viel verändert.

Riexinger sieht gute Chancen für 2011

Zu ihren wichtigsten landespolitischen Themen zählt die Partei, die in den letzten Umfragen stets über fünf Prozent lag, den "industriellen Umbau" im Südwesten. Mindestlohn in ein baden-württembergisches Entsendegesetz und Auftragsvergabe der öffentlichen Hand nur an tarifgebundene Betriebe lauten zwei der "klaren Positionen" und "exklusiven Konzepte" , wie sie die Partei aus Sicht von Vorstandsprecher Bernd Riexinger auch auf dem Gebiet der Umwelt- und Bildungspolitik zu bieten hat. Atomausstieg, kein Stuttgart 21, kein achtjähriges Gymnasium, keine Studiengebühren - das die Kernbotschaften der Linken für die Landtagswahl am 27. März. Riexinger sieht nicht nur gute Chancen, erstmals in den Landtag einzuziehen. Er setzt 2011 auch auf eine Abwahl von Schwarz-Gelb. Seit langem gebe es mal wieder die realistische Chance, sagte er am Freitag. Er kündigte einen "zugespitzten Wahlkampf" an. Traditionell will man dabei eher Schichten ansprechen, die vom Leben bislang wenig begünstigt wurden. Diese gelte es zu mobilisieren, was bei Landtagswahlen, anders als bei Wahlen im Bund, allerdings eine schwierige Aufgabe sei, so Riexinger.

Die Linke will in allen 70 Wahlkreisen Kandidaten nominieren. Wer die männlich-weibliche Doppelspitze bilden soll, wird wohl erst beim Landesparteitag am 20. November entschieden. Ein heißer Kandidat ist Roland Hamm. Der Erste Bevollmächtigte der IG Metall für Aalen und Schwäbisch Gmünd war früher SPD-Mitglied und gilt als einer der profiliertesten Köpfe der Partei. Bislang ist er landesweit aber ein weitgehend unbeschriebenes Blatt.

Was sein Pendant angeht, ist das Rennen völlig offen - auch mangels geeigneter Kandidatinnen. Die Linke hat ein selbst ernanntes Frauenproblem. Nur rund ein Viertel der Mitglieder ist weiblich. In Sybille Stamm, ebenfalls eine SPD-Überläuferin, hat eine der bekanntesten Südwest-Linken bereits ihren Verzicht erklärt. Sie fühlt sich mit 66 anscheinend zu alt.

Riexinger hofft auf Ende des Gezeters

Hamm ist indes nicht unumstritten. Einer seiner schärfsten Kritiker heißt Jürgen Angelbeck und ist stellvertretender Kreisvorsitzender von Ravensburg. Noch. Zum 14. August hat Angelbeck seinen Austritt aus der Linkspartei erklärt. Wegen des Bundesvorsitzenden Klaus Ernst und dessen umstrittenen Mehrfachverdienstes als Parteivorstand, Bundestagsabgeordneter und Fraktionsvorstand (insgesamt rund 13000 Euro) - und wegen der Quasi-Nominierung von Roland Hamm in Baden-Württemberg.

"Das ist der nächste Ernst-Fall", echauffiert sich Angelbeck. Er stört sich zum einen an Hamms Rolle als Gewerkschaftsfunktionär mit stattlichem Salär und spricht von einem "programmierten Geldaufbesserungsbedarf" und dem "gleichen Theater in der Landespartei, wie es die Bundespartei gerade hat". Zum anderen sei die Basis mit Hamms Ausrufung zum Spitzenkandidaten überrannt worden. "Viele kennen ihn gar nicht." Angelbeck im Übrigen auch nicht.

Riexinger will Gewerkschafter bleiben

Wie der Aalener Hamm seine künftige Rolle als Linken-Vormann und Spitzengewerkschafter ausfüllen will, werde er erst darlegen, "wenn der Bär erlegt ist" - sprich: wenn er den Einzug in den Landtag geschafft haben sollte. Die Chancen dazu in der Linken-Hochburg Aalen stehen nicht schlecht. "Ich kenne viele Gewerkschafter, die sich um ein parlamentarisches Amt beworben haben, einschließlich der CDU", sagt Hamm. Seinem Widersacher Angelbeck hält er mit Blick auf dessen frühere Tätigkeit als Gewerkschafter sowie als fraktionsloser und als SPD-Abgeordneter im Landtag von Sachsen-Anhalt vor , dass es sich "aus einer abgesicherten Altersposition heraus immer sehr gut meckert".

Riexinger hofft indes auf ein baldiges Ende des Gezeters . Er selbst will weiter Gewerkschafter bei Verdi in Stuttgart bleiben, weshalb er seinen Verzicht auf eine Landtagskandidatur erklärt hat. Angelbecks Ansichten hält er für eine "querulatorische Einzelmeinung". Dessen Antrag, Klaus Ernst zum Rücktritt aufzufordern, sei im 46-köpfigen Landesausschuss niemand gefolgt. Riexinger räumt aber ein, dass der Fall Ernst insgesamt kein gutes Licht auf die Partei wirft. Schuld an der Situation trage jedoch weniger der Vorsitzende als die Gremien, welche die Regelung einst so beschlossen hätten. "Das müssen wir parteiintern diskutieren", so Riexinger.

Auf die Frage eines Journalisten, ob die Anführer der Entrechteten so leben müssten wie die Entrechteten, antwortete der Landesvorstand: "Man muss nicht arm sein, um sich für Arme einzusetzen."