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Ohne Vertretungslehrer würde noch viel mehr Unterricht ausfallen, es gäbe kaum Deutschunterricht für Flüchtlinge. Doch die Lehrkräfte selbst hängen häufig in der Luft. Die SPD will ihnen helfen.

Stuttgart - Sie bringen Flüchtlingskindern in Vorbereitungsklassen Deutsch bei, sie springen ein, wenn Lehrer krank werden oder sie geben als Spezialisten Berufsschülern Einblick in die Praxis. Fast 1500 Menschen arbeiten zurzeit an den Schulen in Baden-Württemberg, obwohl sie formal keine Lehrer sind. Das geht aus einer Antwort des Kultusministeriums auf eine Anfrage der SPD-Landtagsfraktion hervor, die unserer Zeitung vorliegt. Die Zahl steigt seit fünf Jahren stetig. Im vergangenen Schuljahr waren 1122 derartige Kräfte eingesetzt, im Schuljahr 2016/17 waren es 837 und vor fünf Jahren arbeiteten 406 Personen ohne Staatsexamen in den Schulen.

Diesen Kräften, die mangels klassischer Lehrerausbildung die Voraussetzungen für die Übernahme in den Staatsdienst nicht erfüllen, will die SPD nun eine Chance geben. „Nichterfüller“ heißen sie im Amtsdeutsch. „Die Nichterfüller leisten engagierte Arbeit an den Schulen und tragen zur Sicherung der Unterrichtsversorgung bei“, würdigt Stefan Fulst-Blei den Einsatz der Helfer, ohne die noch sehr viel mehr Unterricht ausfallen würde. Bisher gibt es keine Möglichkeiten, dass die Nichterfüller von ihren befristeten Stellen wegkommen. „Eine dauerhafte Übernahme in den Schuldienst des Landes Baden-Württemberg ist nicht vorgesehen“, erklärt Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) auf die Anfrage der SPD. Dagegen verspricht etwa Nordrhein-Westfalen Seiteneinsteigern durchaus feste Stellen. Was andere Länder „aus blanker Not machen“, sei für Baden-Württemberg keine Option, sagt Eisenmann.

Aus dem Alltag nicht wegzudenken

Fulst-Blei betont, die Lehrer ohne staatlichen Abschluss seien aus den Schulen kaum wegzudenken. Fast die Hälfte von ihnen, 654 Personen, werden vor allem in den Flüchtlingsklassen der Beruflichen Schulen und der Sonderschulen eingesetzt, listet das Kultusministerium auf. Gut 300 arbeiten an beruflichen Schulen, 275 sind in diesem Schuljahr als Vertretungen an Grund-, Haupt- und Werkrealschulen eingesetzt. Eher weniger Lehrer ohne Abschluss findet man an Gymnasien (5) oder Realschulen (32).

Perspektiven gibt es nicht. 44 der in diesem Schuljahr eingesetzten Helfer hatten bereits neun oder mehr befristete Verträge. Nur 440 der 1438 Aktiven haben ihren ersten Vertrag. In den vergangenen fünf Jahren waren 2370 Lehrer ohne staatliche Qualifikation an den Schulen des Landes tätig, berichtet das Kultusministerium.

„Im Rahmen ihres Lehrauftrags“ haben sie die Möglichkeit „an den Angeboten der amtlichen Lehrkräftefortbildung teilzunehmen“. Das reicht nicht, findet die SPD. „Wir brauchen ein modulares Angebot zur Weiterqualifizierung“, fordert die SPD, um den Beschäftigten feste Stellen im Schuldienst zu ermöglichen. „So wird der Unterricht besser, die Lehrkräfte erhalten neue Perspektiven und der Quereinstieg in die Schule wird attraktiver“, sagte Stefan Fulst-Blei unserer Zeitung. Die Betroffenen würden dann nicht mehr „in ihren befristeten Stellen festhängen“. Vor allem Personen, die mindestens einen Bachelorabschluss haben, könnten an den Ausbildungsseminaren für Lehrer berufsbegleitend weitergebildet werden“, meint der Bildungspolitiker.

Die grün-schwarze Landesregierung verwehre sich, „trotz des Lehrermangels hier neue Wege zu gehen und ein Konzept zu erarbeiten“, kritisiert Fulst-Blei. Diese „Blockadehaltung“ sei nicht im Sinne der Qualitätssicherung und angesichts des Lehrermangels auch „nicht vermittelbar“.