Szene mit Jean Dujardin aus „Le Daim“ („Die Wildlederjacke“) Foto: Filmfestival Cannes

Zum 36. Mal präsentieren die Französischen Filmtage Kinokunst unserer Nachbarn. Neben Betrachtungen der Wirklichkeit gibt es viel Poetisches und Magisches zu sehen.

Stuttgart - Netflix sei nicht sein Fall, sagt Christopher Buchholz am Rande der Pressekonferenz zu den Französischen Filmtagen, die ab Mittwoch zum 36. Mal in Tübingen und Stuttgart ein prall gefülltes Programm frankophoner Kinokunst präsentieren. Es brauche immer so lange, bis man endlich einen Film gefunden habe, den man wirklich sehen wolle. Wer die vom Schauspieler und Regisseur Christopher Buchholz seit 2010 kuratierte Schau besucht, hat es da ein wenig leichter: Die Vorauswahl hat der Vollblut-Cineast schon mit seinem Team getroffen und in Kategorien wie „Horizons“, „Focus Suisse“ oder „Focus Afrique“ eingeteilt. Erstaunlich ist die Vielzahl der Sujets, der ästhetischen und inhaltlichen Zugriffe der rund 100 Filme, die bis zum 6. November über die Tübinger und Stuttgarter Leinwände flimmern werden.

„Filmegucken ist in Frankreich ein wesentlicher Bestandteil der Kultur“, sagt Buchholz, Sohn von Horst Buchholz und dessen französischer Schauspielerkollegin Myriam Bru, nicht ohne Stolz über das besondere Verhältnis der Franzosen zur 7. Kunst. Für die Deutschen habe Kino mehr den Status von Entertainment. Die Franzosen hätten von Deutschland hingegen ein völlig von Klischees überlagertes Bild im Kopf. „Die Deutschen verkaufen hauptsächlich Filme über den Zweiten Weltkrieg, die Shoa, über die Stasi und die DDR. Damit hat man im Ausland keine Idee, wer die Deutschen eigentlich sind“, bedauert er.

Ein breit gefächertes Porträt französischer Kultur

Die Französischen Filmtage vermitteln dagegen ein breit gefächertes Porträt französischer Kultur, sozialer Verhältnisse, Lebensentwürfe und Identitäten. Die Themen sind dabei oft ungewöhnlich, wie etwa der Filmemacher Quentin Dupiex mit seinem Werk „Le Daim“ („Die Wildlederjacke“, Montag, 04. November, 20.30 Uhr, Delphi) über ein sprechendes Kleidungsstück beweist.

Besonderes Augenmerk liegt in diesem Jahr unter anderem auf dem Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Fritz Langs Klassiker „Metropolis“ aus dem Jahr 1927 reflektiert das zeitlose Sujet im Rahmen des Cinéconcert (Montag, 4. November, 20 Uhr, Metropol). Besonders lustig, aber auch unheimlich geht es in Benoit Forgeards Film „Yves“ (Dienstag, 5. November, 10 Uhr, Delphi) über das Verhältnis eines Rap-Musikers zu seinem intelligenten Kühlschrank zu. Überhaupt hat das Festival viele fantastische Stoffe zu bieten. Fasziniert zeigt sich Christopher Buchholz etwa von „Zombie Child“ (Samstag, 2. November, 17.30 Delphi). Bertrand Bonello erzählt darin die Geschichte eines Mannes, der durch ein Voodoo-Ritual zum Zombie wird und Sklavendienste auf einer haitianischen Zuckerrohr-Plantage verrichten muss.

Einen Blick auf die Realität in Afrika bietet vor allem der diesjährige „Focus Afrique“ mit bildgewaltigen Dokumentationen. Wer möglichst viele Werke sehen will, sollte auch die kurze Reise nach Tübingen auf sich nehmen. Unsere direkten Nachbarn haben viel zu erzählen.

Das gesamte Programm unter https://franzoesische.filmtage-tuebingen.de/