Harvey Weinstein Foto: dpa/Steven Hirsch

Am Montag beginnt der Prozess gegen den Produzenten Harvey Weinstein. Was ist bisher passiert, und können sich Frauen sicherer fühlen?

Hollywood - Die Enthüllungen zu den Vorwürfen gegen Hollywood-Mogul Harvey Weinstein schlugen im Herbst 2017 ein wie eine Bombe. Sie brachten die Metoo-Bewegung ins Rollen, eine beispiellose Kampagne gegen sexuelle Übergriffe gegen Frauen. Seitdem ist viel passiert: Zahlreiche Fälle sexueller Gewalt wurden publik gemacht, das einstige Tabuthema wurde breit ausgeleuchtet, scheinbar unantastbare Prominente wurden verstoßen. Doch bevor am Montag der Prozess gegen Weinstein beginnt, ziehen viele Insider eine ernüchternde Bilanz.

Die Journalistin Kim Masters vom Branchenblatt „Hollywood Reporter“ sagt, sie höre nahezu jeden Tag Geschichten über sexuelles Fehlverhalten. Filmstudios würden aber versuchen, alles unter den Teppich zu kehren, und gingen juristisch gegen mögliche Enthüllungsgeschichten vor. „Es passiert so oft, dass ein Unternehmen sagt: ‚Wir tolerieren ein solches Verhalten nicht’ - und dann kommt heraus, dass sie es toleriert haben“, beklagt Masters.

„Alles hat sich geändert, und zugleich hat sich nichts geändert“, konstatierte kürzlich die „New York Times“-Journalistin Jodi Kantor, die im Oktober 2017 mit einer Kollegin die Vorwürfe gegen Weinstein enthüllt hatte. „Dinge, die noch vor einigen Jahren akzeptiert, toleriert, ignoriert wurden, werden jetzt viel ernster genommen.“ Zugleich hätten sich die grundlegenden Mechanismen, um solche Vorfälle zu verhindern und mit ihnen umzugehen, kaum verändert, sagte Kantor im Magazin „Vanity Fair“.

Viele Fälle bleiben weiterhin im Dunkeln

Kantors Kollegin Megan Twohey sagt, die Kultur der Geheimhaltung rund um das Thema sexuelle Übergriffe und sexuelle Gewalt sei zwar teilweise „zertrümmert“ worden. Doch viele Fälle blieben weiterhin im Dunkeln - unter anderem durch geheime Vereinbarungen, bei denen mutmaßliche Opfer im Gegenzug für Verschwiegenheit finanziell entschädigt werden.

Auch Weinstein selbst setzt auf diese Strategie: Der 67-Jährige Gründer des Miramax-Studios hat eine Vereinbarung mit dutzenden Frauen über Entschädigungszahlungen in Höhe von insgesamt 25 Millionen Dollar getroffen. Zahlen muss das der „Pulp Fiction“-Produzent aber nicht einmal selbst: Aufkommen sollen die Versicherer seines pleitegegangenen Filmstudios. Schauspielerin und Model Emily Ratajkowski kommentierte das, indem sie sich für eine Filmpremiere „Fuck Harvey“ auf den Arm schrieb.

Der Fall Weinstein zeigt auch, wie schwierig die juristische Aufarbeitung von sexuellen Übergriffen ist. Während mehr als 80 Frauen Weinstein Fehlverhalten vorwerfen, wird ihm in New York nur wegen zwei Fällen der Prozess gemacht. Zur Last gelegt werden ihm eine Vergewaltigung im Jahr 2013 und erzwungener Oralverkehr im Jahr 2006.

Viele Frauen fürchten um ihre Karrieren

Viele andere Fälle sind verjährt. Häufig trauen sich Frauen zudem nicht, mit ihren Vorwürfen zur Polizei oder an die Öffentlichkeit zu gehen. Viele fürchten um ihre Karrieren oder fühlen Scham über das, was ihnen angetan wurde.

Die Angst besteht noch heute: „Wenn es um einen Star geht, ist es am Ende die Frau, die ihre Stimme erhebt, die Probleme haben wird - nicht der Star“, sagt Reporterin Masters. Die Schauspielerin Rose McGowan, die als eine der ersten Vorwürfe gegen Weinstein erhoben hatte, beklagte kürzlich, seit sie angefangen habe, Missstände anzuprangern, sei sie faktisch arbeitslos.

Auch in Europa sorgte Metoo für viele Debatten. In Deutschland kam das Thema spätestens mit den Vergewaltigungsvorwürfen gegen Regisseur Dieter Wedel an. Auch in Frankreich gab es eine große Bewegung, die sexuelle Übergriffe anprangerte. Es gab allerdings auch Widerspruch: Bekannte Künstlerinnen wie Schauspiellegende Catherine Deneuve beklagten einen neuen „Puritanismus“ und eine „mediale Lynchjustiz“ gegen Männer.