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Beim Treffen der G20 in Japan sind die Schwerpunkte klar gesetzt. Auch wenn der Klimawandel zurzeit Topthema ist: Es geht zunächst um die Wirtschaftsbeziehungen, erst dann um den Rest.

Stuttgart - Wenn Deutschland noch schläft, hat in Japan das Ringen um die Zukunft des Welthandels bereits begonnen. Um neun Uhr Ortszeit beginnt an diesem Freitag das Treffen der Staats- und Regierungschefs der 20 wirtschaftsstärksten Industrie- und Schwellenländer in Osaka, in Zentraleuropa ist es da gerade zwei Uhr nachts. Nach japanischen Angaben werden bis zu 30 000 Teilnehmer erwartet, zahlreiche Vorbereiter des Treffens arbeiten bereits seit Längerem in der Hafenstadt, wenn nun ihre Chefs einschweben. Das Programm ist ambitioniert, die Probleme gewaltig – und manch einer hegt mächtige Zweifel daran, dass am Ende ein tragfähiges Ergebnis präsentiert werden kann. Wir geben einen Überblick über die offiziellen und die inoffiziellen Themen des Gipfels. Im Mittelpunkt des Interesses Die Teilnehmer des Gipfels repräsentieren rund zwei Drittel der Weltbevölkerung, ihre Länder erbringen rund 85 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Da sich die beiden größten Volkswirtschaften seit mehr als einem Jahr gegenseitig mit Sonderzöllen überziehen, steht der chinesisch-amerikanische Handelsstreit im Mittelpunkt des Interesses. Am Samstag wollen Chinas Präsident Xi Jinping und sein US-Kollege Donald Trump versuchen, die Wogen zu glätten. Doch auch wenn US-Finanzminister Steven Mnuchin sich unmittelbar vor dem Treffen zuversichtlich äußerte und erklärte, dass ein Abkommen bereits zu 90 Prozent ausgearbeitet sei, überwiegen die Zweifel, dass bei dem Gespräch signifikante Fortschritte erzielt werden. Trump ärgert sich darüber, dass China mehr in die USA exportiert als umgekehrt. Er fordert mehr Marktzugang. Um das zu erreichen hat er Zölle auf chinesische Einfuhren massiv erhöht. China hat es ihm in der Folge gleich getan. Aktuelle Entwicklung Medien in Hongkong und den USA berichteten von einem „Burgfrieden“ vor dem Treffen der Präsidenten. Vorerst wolle Trump keine neuen Zölle erheben. Peking war in den letzten Monaten dazu übergegangen, Zölle zu senken – und zwar für nahezu alle Staaten, die Waren nach China einführen, mit Ausnahme der USA. Das hat zur Folge, dass der Absatz von Hummerfischern aus den USA um 70 Prozent eingebrochen sei, so das Peterson-Institut, ein amerikanischer Wirtschafts-Think Tank. Profitieren würden die Kollegen aus Kanada. Sojafarmer aus den USA müssen nun 28 Prozent Zoll in China bezahlen, die Kollegen aus dem Rest der Welt gerade einmal noch drei Prozent. Das freut Brasilien. Die USA, so die Analyse des Instituts, leiden mehr unter dem Streit als China.

Weitere Zweiergespräche Vor dem Zimmer, in das sich Trump und Xi zurückziehen, werden am meisten Kameras und Mikrofone aufgebaut sein. Es ist aber bei Weitem nicht das einzige Tete-à-te te von Belang. Bevor sich Xi mit Trump trifft, wird er schon mit Gastgeber Shinzo Abe und danach mit dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in zusammensitzen, um die Lage in Nordkorea zu erörtern. Trump wird sich noch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über Syrien austauschen, auch ein Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel ist geplant.

Deutsche Erwartungen „Dieses Jahr wird es besonders schwierig“, sagt ein Regierungsvertreter. Im Gegensatz zu früheren Jahren sei es noch nicht einmal sicher, dass sich die Teilnehmer überhaupt auf ein gemeinsames Abschlusskommuniqué einigen können. „Wir Deutschen“, heißt es in der Reisegruppe der Kanzlerin, die stets das Hohelied auf den Multilateralismus singt, „versuchen unser Bestes.“ Beim Hamburger G20-Treffen 2017 gelang es noch, ein Nein zum Protektionismus zu vereinbaren, vergangenes Jahr in Buenos Aires war das schon nicht mehr der Fall, doch wurde vereinbart, eine Reform der Welthandelsorganisation (WTO) anzugehen. Dieses Jahr steht jedoch infrage, ob dieses Bekenntnis aufrechterhalten werden kann, weil es keine Einigkeit über ein vorgelagertes Problem gibt: Die Schiedsgerichte der WTO brauchen neue Richter, und es gibt keine Übereinkunft darüber, die Stellen neu zu besetzen. Die Klimadebatte Die Europawahlen standen unter dem Eindruck der Klimadebatte, die Parteien in Deutschland rücken das Thema, getrieben von einer protestierenden Jugend, immer stärker in den Vordergrund. In Japan wird es vermutlich eine Nebenrolle spielen. Von einem Signal der klimapolitischen Stagnation, sprechen Aktivisten. Grund ist der Entwurf einer Abschlusserklärung, der hinter frühere Erklärungen zurückfällt. Die G20 wollen sich Herausforderungen stellen, „unter anderem dem Klimawandel“, heißt es. Ein Bekenntnis zum Pariser Klimaabkommen fehlt. Europa Die anwesenden EU-Vertreter haben noch ein ganz anderes Thema, weil sie sich sofort nach der Rückkehr aus Japan am Sonntag in Brüssel zu einem Sondergipfel zusammenkommen, wo über den künftigen EU-Kommissionspräsidenten entschieden werden soll. Zu Vorabsprachen werde es, so sagt ein Vertreter der Bundesregierung , „genug Gelegenheiten“ geben.