Kommt mit dem besten Volleyball-Team der Welt nach Stuttgart: Jennifer Geerties Foto: imago//Huang Zongzhi

Die Volleyball-Nationalspielerin Jennifer Geerties vom Weltpokalsieger Imoco Volley Conegliano spricht über die spezielle Brisanz des Champions-League-Viertelfinales in Stuttgart. Ihr Team kommt aus einer vom Coronavirus betroffenen Region in Italien.

Stuttgart - Im Viertelfinale der Königsklasse trifft Allianz MTV Stuttgart an diesem Mittwoch (19 Uhr, Scharrena) auf das italienische Superteam Imoco Volley Conegliano. Dessen Außenangreiferin Jennifer Geerties sagt: „Wir nehmen den deutschen Meister als Gegner sehr ernst.“

Frau Geerties, welche Erinnerungen haben Sie an die Scharrena in Stuttgart?

Eigentlich recht gute.

Wirklich?

Ja. Die Stimmung dort ist toll, es hat mir immer Spaß gemacht, in der Halle zu spielen – vom Tie-Break im fünften Finalduell um die Meisterschaft vielleicht mal abgesehen.

Sie haben sich im Mai 2019 mit einer bitteren Niederlage vom SSC Schwerin verabschiedet, nun treffen Sie mit Weltpokalsieger Imoco Volley Conegliano im Viertelfinale der Königsklasse erneut auf Allianz MTV Stuttgart. Mit welchem Ziel?

Wir wollen in die nächste Runde. Aber wir sind auch gewarnt.

Weshalb?

Die Stuttgarterinnen haben in der Gruppenphase immerhin Champions-League-Titelverteidiger Igor Novara geschlagen, dazu kommt der Heimvorteil. Wir nehmen den deutschen Meister als Gegner sehr ernst.

Lesen Sie hier: MTV-Sportchefin Kim Renkema über die Chancen in der Königsklasse

MTV-Sportchefin Kim Renkema hält Ihre Mannschaft für die aktuell beste der Welt. Zurecht?

Wir haben die Club-WM gewonnen. Die beiden Istanbuler Vereine Vakifbank und Eczacibasi bilden zusammen mit uns derzeit die Top-3 der Welt – dieser Einordnung würde ich definitiv zustimmen.

Zuletzt ist Ihr Team allerdings etwas aus dem Rhythmus gekommen.

Richtig. Wegen des Coronavirus’ sind bislang drei Liga-Spiele ausgefallen. Trotzdem haben wir natürlich ganz normal weitertrainiert, wenn auch etwas dosierter. Und wir hatten sogar mal ein, zwei Tage frei.

Conegliano liegt in der Provinz Treviso im Norden Italiens, rund 60 Kilometer entfernt von Venedig, und damit in einer roten Zone, in der Infektionsherde bestätigt wurden. Wie ist aktuell die Lage?

Die Schulen und Kindergärten sind weiterhin geschlossen. Ansonsten läuft das Leben, in meiner Wahrnehmung, weitgehend normal. Es fühlt sich ein bisschen an wie so eine Art Ferienmodus. Außer dass in den Restaurants nicht mehr ganz so viel los ist.

In den Supermärkten . . .

. . . ist noch alles zu bekommen, Hamsterkäufe habe ich nicht erlebt. Wenn ich einordne, was ich aus Deutschland höre, kommt es mir vor, als wäre dort die Hysterie größer.

Gibt es für Sie persönlich Einschränkungen?

Nein.

Sind Sie und Ihre Kolleginnen auf das Virus getestet worden?

Nein. Wir wurden aber darauf hingewiesen, vorsichtiger und bedachter zu sein, uns oft die Hände zu waschen, auf Küsschen links und Küsschen rechts zu verzichten und Kontakt zu Leuten mit Krankheitssymptomen zu meiden.

Lesen Sie hier: Faktencheck zum Coronavirus

Wie finden Sie es, dass Fans, die aus Conegliano nach Stuttgart reisen wollten, keine Tickets erhalten haben?

Das kann ich verstehen. Wenn die Stadt Stuttgart diese Entscheidung trifft, muss man das akzeptieren.

Ist das ein Nachteil für Ihr Team?

Normalerweise begleiten die Fans uns überallhin, eine Handvoll war sogar bei der Club-WM in China dabei. Es tut natürlich immer gut, wenn einem der Rücken gestärkt wird, allerdings hätten sie von der Lautstärke her in Stuttgart ohnehin einen schweren Stand gehabt (lächelt).

Es gibt offenbar Überlegungen, das Rückspiel in einer Woche nicht in Treviso auszutragen, sondern womöglich ebenfalls in Stuttgart. Was halten Sie davon?

Darüber habe ich bisher nichts gehört. Mein letzter Stand ist, dass wir ein Heimspiel haben werden, allerdings ohne Zuschauer.

Klarer Favorit wäre Ihr Team so oder so. Was sind die größten Qualitäten von Imoco Volley Conegliano?

Wir machen wenig Fehler, wenn es drauf ankommt, haben dank unserer Zuspielerin Joanna Wolosz ein enorm schnelles Angriffsspiel. Zudem verteilt sie die Bälle sehr gleichmäßig, deshalb sind wir sehr unberechenbar. Und wir arbeiten enorm viel und hart.

Dazu kommen ein paar herausragende Persönlichkeiten.

Stimmt.

Wer beeindruckt sie am meisten?

Der Verein, der auf dem Top-Niveau, auf dem wir uns bewegen, Akzente setzen will, benötigt einen breiten Kader mit Spielerinnen, die perfekt zusammenpassen und absolut professionell sind. Aber natürlich ist Paola Egonu einer unserer Superstars. Sie liegt, egal in welchem Wettbewerb, in der Punktestatistik vorne. Für mich ist sie derzeit die beste Diagonalangreiferin der Welt.

Welche Rolle spielen Sie als eine der stärksten deutschen Außenangreiferinnen in dieser außergewöhnlichen Mannschaft?

Als ich im Sommer nach Italien gegangen bin, wusste ich, dass ich nicht zur ersten Sechs gehören werde – und trotzdem wollte ich die Chance nutzen, mich auf diesem Niveau zu beweisen. Ich komme für die Annahme, wenn es dort mal etwas wackliger zugeht.

Wie im Endspiel der Club-WM.

Genau. Im Finale bin ich im zweiten Satz eingewechselt worden, habe dann bis zum Ende durchgespielt. Das war bisher mein absolutes Highlight.

Und sonst?

Hatte ich bei rund einem Drittel unserer Spiele sehr viel Einsatzzeit, meist von Beginn an. Das ist mehr, als ich erwarten durfte.

Lesen Sie hier: Allianz MTV Stuttgart und die Sponsorensuche

Sie haben Ihren Wechsel also nicht bereut?

In keiner Sekunde. Mannschaft, Umfeld, das Leben in Italien – alles ist perfekt. Mein Horizont hat sich enorm erweitert, nicht nur volleyballerisch. Aber auch in der Halle lerne ich weiterhin täglich dazu, weil wir uns schon im Training auf dem allerhöchsten Level bewegen.

Ihr Vertrag in Conegliano läuft im Sommer aus. Werden Sie in Italien bleiben?

Bisher gab es noch keine Gespräche über die nächste Saison.

Ist eine Rückkehr in die Bundesliga denkbar?

Eher nicht. Wenn ich über einen Wechsel nachdenken müsste, würde viel für eine weitere Station im Ausland sprechen. Allerdings wäre es schwierig, eine Alternative zu finden: Ich erlebe in Conegliano derzeit das Beste, das es im Volleyball zu erleben gibt.